Schulchronik von Lage - 1920 bis 1930

(Anmerkung: Ab dem Schuljahr 1920/21 wurde die Chronik - weiterhin geführt von Lehrer Ludwig Sager - in einem zweiten Band fortgesetzt)

       Schuljahr 1920 - Fortsetzung

Die Preise für die Lehr- und Lernmittel steigen beständig, eine Tatsache, die sich erst recht unliebsam in der Schule bemerkbar macht. Die Sauberkeit der abgenutzten Bücher, die Neuanschaffung der Hefte und Zeichenutensilien lässt vielfach zu wünschen übrig, die Preise für einfache Hefte sind bereits über 1 M gestiegen. So sind es die Verhältnisse, die dem Lehrer gebieten, seine Aufmerksamkeit auf sparsamen Papierverbrauch zu richten, was im Interesse der Erziehung zur Ordnung oft bedauert werden muss. An Lehrmittel wurden in diesem Jahr 2 große Schmeilsche Bilder aus dem Gebiet der Zoologie - Elefant und Kamel - angeschafft. Sie bilden die Zierde der Lehrmittelsammlung.

Weihnachtsfeier 1920

Die Weihnachtsfeier wurde wie im Vorjahr (siehe dort) in der Kirche gefeiert und war geeignet, Herz und Gemüt mit rechter Weihnachtsstimmung zu erfüllen. Wie dunkel sich auch der Himmel über unserem armen Vaterlande zusammenzog, wie sich die schwarzen Wolken auch immer weiter auftürmen: "Leuchtend doch grüßt mich durch Nacht und Graus Weihnacht und Christbaum aus deutschem Haus." So schreib 1916 der Lehrer seinen Kindern aus Frankreich, und der Trost froher Weihnachtsbotschaft wird noch auf lange hinaus helles Licht in trüber Zeit sein.

Elektrische Lichtanlage

Im Herbst 1920 wurde die Fertigstellung einer elektrischen Lichtanlage beschlossen, der Firma Edel und Wernicke Schüttorf wurde diese übertragen. In der Mühle wurden dafür 2 Räume für den Dynamo und für die Batterie eingerichtet, die Kraft des Wassers wird nun in Lichtenergie umgewandelt. Ende Dezember 1920 leuchteten die ersten Lampen auf, zahlreiche Neugierige belagerten die Mühle, wo von nun an das Licht für unser Dorf "gemacht" wurde. Auch die Schule und Kirche erhielten Anschluss.

Tod der Handarbeitslehrerin - Neuanstellung

Im Januar 1921 starb die Handarbeitslehrerin Frau Janna Konjer an Schwindsucht. Für sie wurde Frl. Friederike Bosmann vom Schulvorstande gewählt. Der Handarbeitsunterricht wird seitdem von ihr an 2 Nachmittagsstunden erteilt. Es wurde beschlossen, ihr dafür eine jährliche Vergütung von 300 M zu erteilen. Frau Bildermann wurde gleichzeitig eine Erhöhung der Bezüge für das Reinigen der Schule auf 300 M zuerkannt.

Antrag auf Einrichtung der 2. Lehrerstelle

Im März d. J. teilte die Regierung dem Schulvorstande mit, dass die Einrichtung einer 2. Lehrerstelle zu beschließen sei. In Anbetracht der großen Schülerzahl - 82 Kinder - anerkannte der Schulvorstand wohl die Berechtigung dieser Forderung, glaubte aber nicht in dieser Zeit, wo die Gemeindeausgaben so gewaltig steigen und kaum die Aufstellung eines geordneten Etats möglich ist, die Verantwortung für eine so schwerwiegende Entscheidung übernehmen zu können. Der Antrag wurde daher mit allen gegen eine Stimme - die des Lehrers - abgelehnt.

Ausflug nach Denekamp - Besuch des Museums

Am letzten Nachmittage des Schuljahres wurde mit den Kindern der beiden letzten Jahrgänge das "Natura Docet" in Denekamp besucht. Zu Rad und Wagen fuhren wir hin, besahen das prächtige Stadthaus, die schmuckvolle katholische Kirche und das an Schätzen reiche Museum des Lehrers Herrn Bernink. Die vollständigen Sammlungen der heimischen Tier- und Pflanzenwelt, besonders der Vögel, Käfer und Schmetterlinge, dann die Wunder des Meeres - Korallen, Seesterne usw. - ferne Seltenheiten aus den holländischen Kolonien wurden von den Kindern staunend betrachtet.

Ostern 1921

Entlassen sind: 5 Knaben und 4 Mädchen, außerdem 3 katholische Kinder, welche vom 3. Schuljahr ab die katholische Schule in Neuenhaus besuchen. Kinder katholischer Konfession besuchen z. Z. nicht unsere Schule, sind vorläufig auch nicht mehr zu erwarten. Neu aufgenommen sind 5 Knaben und 6 Mädchen. Schülerzahl 1. Mai 46 Knaben, 36 Mädchen.

Bekanntmachung der Reichsverfassung

Auf ministerielle Anordnung hin erhalten die zu Ostern abgehenden Schüler und Schülerinnen je ein Exemplar der deutschen Reichsverfassung vom 11. 8. 1919. Im Anschluss an den Geschichtsunterricht wurden auf den behandelten Stoff sich beziehende Paragraphen der Reichsverfassung besprochen, um die Schüler in die Bürgerkunde einzuführen und sie mit den Grundrechten und -pflichten eines Staatsbürgers und den Grundgesetzen staatlicher Einheit bekannt zu machen. Es entspricht dies behördlicher Vorschrift.

Lehrerbesoldungsgesetz

Die Lehrerbesoldung wurde durch Gesetz v. 17. Dezember 1920 - mit rückwirkender Kraft vom 1. 4. d. J. ab - neu geregelt. Das Gehalt setzt sich in Zukunft zusammen aus: Grundgehalt, Ortszuschlag, Ausgleichszuschlag und Kinderbeihilfen. Die 7. Gehaltsgruppe bildet die Eingangsstufe für Lehrer, 1/3 der Lehrerschaft - je nach Dienstalter - soll nach Gruppe 8 besoldet werden, für Gruppe 9 kommt die Lehrerschaft der einklassigen Schulen nicht in Frage, Aschenbrödels Kleid bleibt ihnen. Selbst die ehemalige "Funktionszulage" von 100 M ist ihnen gestrichen, als einziger Vorzug bleibt die Summe an Mehrarbeit.

Wagenfahrt nach Wilsum

Am 7. 6. 21 weilte Herr Schulrat Oppen hier zwecks Revision. Am 21. 6. 21 wurde ein Wagenausflug nach Wilsum gemacht, acht geschmückte Wagen standen bereit, klein und groß nahm Anteil an der fröhlichen Fahrt, die aufs beste verlief. Der "Holbohm" bei Uelsen wurde erstiegen, in ihrem sommerlichen Kleide lag die schöne Grafschaft vor uns.

Ausflug zur Porta

In den Herbstferien - am 28. und 29. September - machten 22 Kinder unserer Schule in Begleitung mehrerer Erwachsener einen lehr- und genussreichen Ausflug zur Porta. In Hochherziger Weise hat der Patron der Schule, Herr van Heeckeren van Wassenaer auf Twickel, dem Lehrer 1000 M (=36 Gulden) für eine Wanderfahrt in die Berge zur Verfügung gestellt. Einmehrstündiger Aufenthalt in Rheine und später in Osnabrück wurde dazu benutzt, die freundlichen Mühlenpartei an der Ems, dann in der Hasestadt den Friedenssaal des alten Rathauses, den Domplatz und die Hauptstraßen zu besichtigen. Geben Abend landete die große Schar in Bruchmühlen, wo bereits Wagen bereit standen, welche die Ausflügler nach Markendorf brachten. Hier folgten sie einer Einladung des Herrn Fritz Reinert, der in den Kriegsjahren als Landsturm - Unteroffizier in Lage und Umgegend Dienst tat, und Treue mit Treue vergeltend, auf seinem prachtvollen Hof den fern von der holländischen Grenze Kommenden den Tisch deckte. Auf der großen Bauerndiele wurde noch lange gespielt und gesungen, ehe man die mächtigen Strohlager aufsuchte. Nach gutem Morgenimbiss und herzlichem Abschied von dem Wirte wundermild brachte ein endlos langer Leiterwagen die Gäste durch die Hügelbauerschaft zur Bahn. Die Porta war das Ziel. Über die Weserbrücke ging's dem Wittekindsberge zu. Durch den herbstlich bunten, von goldener Sonne durchfluteten Hochwald führte die breite Straße zum Kaiser-Wilhelms-Denkmal herauf. Wie da die Augen leuchteten! Das gewaltige Bauwerk mit den breiten, massigen Steintreppen, die herrliche, von Säulen getragene Kuppel, die hohe erhabene Bronzefigur des ersten Kaisers: des Berges Krönung von Menschenhand! Und dann die Böschung hinab zu Füßen das Wesertal, der Silberstreif des Flusses, der sich im Grau des Horizontes verlor und die langsamen Schleppdampfer trug. Die Züge, die klein wie Kinderspielzeug erschienen, die Dörfer in den Tälern, sich an die Berge anschmiegend oder sich breit in der grünen Ebene ausdehnend, drüben Minden und dann jenseits jäh und schroff aufsteigend: der Jakobsberg, der mit dem Wittekindsberge diesseits das gewaltige Tor bildet, die Porta Westfalica, durch das in grauer Vorzeit die Weser den Weg brach. Ein Staunen und Bewundern ob der Fülle des Schönen, noch unendlich großartiger, erhabener als der Menschen Kunst, das gigantische Bauwerk ewig schaffender Naturkräfte. Als dann die wanderfrohe Schar, die Augen müde vom Schauen auf dem Gestein des Sockels rastete, mochte doch in manchem glücklichen Kinderherzen ein Gefühl aufsteigen, das laut schallend im Lied zum Ausdruck kam: "Deutschland, Deutschland über alles in der Welt!"

Weihnachtsfeier

Am 2. Weihnachtstage wurde im Völkerschen Saale für die gesamte Jugend des Dorfes eine Tannenbaumfeier abgehalten. Eine Haussammlung hat den Betrag von etwa 700 Mark ergeben, für die Backwerk und kleine Geschenke, Schulutensilien gekauft waren, mit denen die Kinder zum Schlusse beglückt wurden. In seiner Ansprache wies der Lehrer auf die Bedeutung des Lichtbaumes hin, in dem sich deutscher und christlicher Geist so sinnig vereint. Die Kinder brachten ein Festspiel, die "Weisen aus dem Morgenlande" lebendig zum Vortrag, Gesang und Deklamationen wechselten ab; möchten die Eltern und Angehörigen, die den Saal bis zum letzten Platze füllten, eine angenehme Erinnerung mit nach Haus nehmen. 

Krankheiten

Von unbekannter Seite eingeschleppt, herrschte Dezember 1921 und Januar 22 die Krätze recht böse, so dass zeitweilig 10 - 17 Kinder dem Unterricht fern bleiben mussten, vom 11. - 18. 1. war die Schule deswegen geschlossen. Noch böser trat dann die Grippe auf, die ganze Familien ans Haus fesselte, anhaltender Ost bewirkte Erkältungen, so dass Ende Januar täglich 20 - 30 Kinder in der Schule fehlten.

Die Behörde hat eingehend Beschwerde darüber geführt, dass der Fußboden im Schulzimmer undicht ist; Endlich veranlasste der Schulvorstand die Dichtung der Ritzen zwischen den Dielen. Gleichzeitig wurde beschlossen, den Fußboden mit Staub bindendem Öl streichen zu lassen.

Mangelnde Erwärmung des Schulzimmers

Immer wieder muss der Lehrer Klage darüber führen, dass im Schulzimmer nicht die notwendige Wärme erzielt werden kann. Trotz zeitigen Heizens war die Temperatur bei Schulbeginn um 8.30 Uhr selten über 4°C. Lehrer und Schüler standen aber auch bei 2 ° und 3 ° oft frierend um den Ofen, die Kinder klagen ständig über kalte Füße. Es braucht kaum bemerkt zu werden, dass unter solchen Umständen der Schulbetrieb leidet. Dieser Mangel ist nicht leicht abzustellen, er wird verursacht durch die großen, nicht allzu dichten Fenster, durch die hohe Decke, durch die viel Wärme entweicht, durch die ungünstige Lage des Schulzimmers nach Norden. Der Ofen heizt gut und es wird seine Nähe oft dringend gewünscht.

Ostern 1922

Entlassen sind 2 Knaben und 4 Mädchen, der Mittelschule in Neuenhaus wurden überwiesen 5 Kinder; neu aufgenommen sind: 5 Knaben und 2 Mädchen. Das neue Schuljahr begann mit 43 Knaben und 33 Mädchen.

Grundschule

Am 1. 4. 1922 trat das Gesetz betreffend "Grundschule" in Kraft. Diese umfasst die ersten 4 Jahrgänge und ist von sämtlichen Schülern zu besuchen. Die vom Herrn Minister erlassenen "Richtlinien für die Grundschule" veranlassten die Ausarbeitung eines neuen Lehrplans, der die Ziele der genannten Jahrgänge bedeutend weiter steckt als es die "Allgemeinen Bestimmungen" taten. Nach dem für unseren Bezirk aufgestellten Lehrplan bilden nun der 3. und 4. Jahrgang die Mittelstufe, der 5. - 8. Jahrgang die Oberstufe. Der derzeitige Lehrer sieht diese neue Einteilung für verfehlt an, die alte wurde seines Erachtens der Praxis mehr gerecht.

Der 1. und 2. Jahrgang erhalten in Zukunft 4 Stunden in der Woche Einzelunterricht, die Ober- und Mittelstufe bekommt dementsprechend weniger Stunden.

Im Unterrichtsplan der beiden Jahrgänge steht in Zukunft der "Gesamtunterricht" an 1. Stelle, in der Mittelstufe umfasst die "Heimatkunde" die 3 bislang getrennten realistischen Fächer. Nach den "Richtlinien" steht in jedem Unterrichtsfache das Arbeitsprinzip im Vordergrunde, die alte "Lernschule" soll zur "Arbeitsschule" im Gaudigschen Sinne werden, indem sie das größte Gewicht legt auf die Erarbeitung der Unterrichtsergebnisse durch die Kinder. (Anmerkung: Hugo Gaudig, 1860-1923, erarbeitete ein Konzept einer nicht nur auf manuelles, sondern vor allem auf selbständige, geistiges Tun ausgerichtete "Arbeitsschule")

(13.9.22 Sichtvermerk Schulrat Valentin)

Am 29. August 1922 wurde mit den Kindern der Ober- und Mittelstufe ein Ausflug nach Gildehaus und Bentheim gemacht. Besichtigt wurden die Steinbrüche, der Mühlenberg mit dem köstlichen Fernblick ins Westfalenland, das Schloss und das Bad Bentheim, wo die müde Schar einen freundlichen Sommerabend erlebte.

Am 27. 3. 1923 war Georgsdorf unser Ziel, dem wir mit dem Rade zustrebten. Das Brillsche Torfwerk, die Torfstreufabrik wurde in Augenschein genommen, um die Verarbeitung des Torfes zu Torfstreu kennen zu lernen. Dem Moor und seinen Schichten, ferner dem Kanal mit der Schleuse galten unsere Aufmerksamkeit. Da lag das große, ewige Buch der Natur weit aufgeschlagen vor uns.

Durch Anordnung des Herrn Ministers wurde als Höchstzahl für Schulklassen die Zahl 60 festgesetzt; Klassen mit mehr Kindern sind als überfüllt anzusehen und ist daselbst eine neue Lehrerstelle einzurichten. So erging auch an den Schulvorstand Lage die Aufforderung eine neue Stelle einzurichten. Am 28. 11. 22 wurde darüber im Schulvorstand beraten, Herr Kreisschulrat Valentin war zufällig anwesend. Dieser wie auch der Lehrer suchten den Anwesenden klar zu machen, welche Gründe für die Einrichtung einer 2. Stelle sprächen. Eine Schule mit 70 Kindern, für die nur 1 Lehrer vorhanden ist, kann unmöglich des Ziel erreichen, was heute erreicht werden muss. Auch sei es soziale Pflicht, den stellenlosen Junglehrern Arbeit zu verschaffen. Der Vorsteher wies auf die finanziellen Schwierigkeiten hin, die dem Plan entgegenstehen, der Lehrer legte dar, dass unsere Gemeinde in Wirklichkeit wohlhabend sei und die Not der Zeit noch nirgends empfinde, es müssten nur neue Steuerquellen erschlossen werden.

Herr Kreisschulrat Valentin erklärte in längeren Ausführungen, wie sich die Finanzierung einer 2. Stelle gestalten werde, dass die Gemeinde nur einen geringen Bruchteil der Lasten zu tragen habe. Es wurde zuletzt vom Verbandsvorsitzenden zugegeben, dass er seine Meinung berichtigen und anerkennen müsse, dass die Gemeinde Lage zur Zeit wohl in der Lage sei, die Lasten zu tragen, man müsse aber damit rechnen, dass sie Not des Vaterlandes sich in Zukunft auch auf dem Lande geltend machen werde. Man kam nicht zum Schluss, da einige Mitglieder fehlten, ohne die man keinen Beschluss fassen wollte; es wurde der Wunsch laut, dem Gemeindeausschuss die wichtige Angelegenheit zu unterbreiten.

Es fand dann eine zweite Versammlung in dieser Angelegenheit statt, zu der auch der Gemeindeausschuss und der Elternrat geladen waren. Der Lehrer wiederholte seine Ausführungen, suchte die Bedenken zu zerstreuen und bat, sich der besseren Einsicht nicht zu verschließen und nach Pflicht und Gewissen zu urteilen, wie das Amt es ihnen auferlege. Im Vaterlande, das am Boden liegt, müsse man von untern an zu bauen fangen, bei der Jugend, sollte es besser werden, deren Interesse müsse im Vordergrunde stehen und nicht die Angst, vielleicht einige Mark Steuern mehr opfern zu müssen. - Der Vorsteher führte aus, dass nur die Grundsteuer zu erhöhten Einnahmen die Möglichkeit biete, und dann müsse die Hauptlast auf den Patron der Schule, den Herrn Baron, abgewälzt werden, der würde die Pächter heranziehen, auch sei der Patron nur zur Leistung von 800 M - abgelöste Schulsteuern - verpflichtet. Die Ausführungen des Lehrers zerstreuten bei den Versammelten nicht die Bedenken, die da leicht entstehen, wenn aus Notwendigkeiten heraus dem Patron der Schule erhöhte Ausgaben erwachsen könnten. So erklärten sich bei der Abstimmung nur 2 Mitglieder des Schulvorstandes für die Anstellung eines 2. Lehrers, die anderen Körperschaften waren geschlossen dagegen. Ob man andrerseits nicht den Rückhalt des Mutes fand, seine Überzeugung zu bekennen, bleibe dahin gestellt. Der Chronist muss sich mit der Tatsache als solche begnügen.

Wem die Arbeit an der Schule Herzenssache ist, wer in die Jugend die Hoffnung setzt auf eine bessere Zukunft des aus allen Wunden blutenden Vaterlandes, der verließ diese Sitzung in tiefer Beschämung.

Sollten einst spätere Geschlechter solche Beschlussfassung nicht verstehen, so muss zur Ehre vieler gesagt werden, dass sich auf einem Gutsdorfe manche Menschen noch als Hörige und Halbfreie fühlten. Der Regierungsantrag wird nun weitere Instanzen durchlaufen, zunächst den Kreisschulausschuss und dann wird - falls der ablehnt - die Entscheidung beim Provinzialausschuss liegen.

Die Weihnachtsfeier wurde im Berichtsjahr 1922/23 zum ersten Male in der Schule abgehalten. Groß und klein war der Einladung gefolgt, Lieder, Aufführungen und Vorträge wechselten, Pelzwürtel (?) und Weihnachtsmann fehlten nicht in der grün geschmückten Schule.

Ostern 1923

Ostern 1923 wurden 11 Kinder entlassen, neu aufgenommen 7 Kinder, dazu kamen 8 Kinder aus Dortmund, "Ruhrkinder" genannt, von denen sind im April 1923 etwa 250 nach dem Kreise Bentheim gekommen. 1. Mai: 72 Schüler und Schülerinnen. Groß ist die Not da, wo der Feind im Lande steht. Die "Ruhrspende" brachte auch in unserer Gemeinde große Erträge ein an Speck, Korn und an Lebensmitteln. 9 Knaben und Mädchen aus Dortmund sind in Lage untergebracht.

Zum Vorsitzenden des Schulvorstandes wurde von diesem der Lehrer L. Sager in Vorschlag gebracht und derselbe alsdann von der Regierung ernannt. Herr Pastor Busse trat zu diesem Termin von dem Amte zurück. Zum Rechnungsführer wählte der Schulvorstand Herrn Kaufmann W. Schrader.

(22.6.23: Sichtvermerk Schulrat Valentin)

Am 20. 6. wurde mit den Kindern eine Ausfahrt nach Uelsen und Wilsum gemacht. Schon in den Morgenstunden machten sich die Kinder der Oberstufe mit dem Lehrer zu Rad auf den Weg, um zunächst noch den weiten fürstlichen Forsten zwischen Itterbeck und Uelsen einen Besuch abzustatten. Es folgten mittags die Wagen mit den anderen Kindern, gemeinsam wanderten wir dann durch die tiefe Schlucht im Uelser Esch dem "Holbohm" zu, einem der schönsten Aussichtspunkte der Uelser Hügel. Im Hochzeitskleide prangte die grüne Heimat: "Alle Birken grünen in Moor und Heid', jeder Brahmbusch leuchtet wie Gold!" - Wilsum, die Tochter der Quellen und Bäche war unser Ziel.

Zum 1. April trat Fräulein Fr. Bosmann vom Handarbeitsunterrricht zurück. Frau Zollaufseher Lehmann trat an ihre Stelle, wurde aber schon im Herbst von Fräulein Anna Diesen aus Neuenhaus abgelöst. -

Zu Ende des nassen Jahres 1923 - und Anfang 1924 - traten die Masern in erschreckender Weise auf; wochenlang fehlte die Hälfte der Kinder im Unterrichte, so dass die Versäumnisliste ein sehr buntes Gesicht bekam.

Infolge der vielen Erkrankungen musste die geplante Weihnachtsfeier ausfallen, nachdem sie von Woche zu Woche verschoben war. Ersetzt wurde sie durch einen schon verlaufenen Unterhaltungsabend am 20. 2. 1924, im Mittelpunkt das 1. Teiles stand die Aufführung eines Weihnachtsstückes: "Schusters Fritz feiert Weihnachten", in dem Zwerge, böse und gute Menschen und auch Knecht Ruprecht auftraten. Die im 2. Teil von einigen Herren aus Nordhorn vorgeführten Lichtbilder - Reisen im Harz, München - fanden viel Anerkennung, nicht allein bei den Kindern, sondern auch bei den Erwachsenen. Die Platzfrage schränkt leider den Kreis der Einzuladenen erheblich ein. Es ist eine Freude zu sehen, wie viele es bei solchen Gelegenheiten zur Schule zurückzieht.

Zu Anfang des Jahres 1924 hat die Gemeinde Lage in Verbindung mit Brecklenkamp, Hardingen und Teilen von Grasdorf eine Gemeindeschwester angestellt. Diese wird vom 1. 4. 1924 ab den Handarbeitsunterricht in der Schule erteilen. (Beschluss des Schulvorstandes vom 10. 3. 1924.) Auf Wunsch vieler Gemeindemitglieder versammelt Schwester Berta die Kinder Sonntag nachmittags um sich, der Schulvorstand hat ihr lt. Beschluss vom 7. 4. 1924 dazu den Schulraum zur Verfügung gestellt. Es wurde ferner dem Gemeindevorsteher die Erlaubnis erteilt, die Versammlungen des Gemeindeausschusses wie der Gemeinde selbst in der Schule anzusetzen, da die Benutzung einer Wirtschaft oft mit Unkosten verbunden ist.

Ostern 1924

Entlassen sind: 4 Knaben, 1 Mädchen. Neu aufgenommen: 3 Knaben, 6 Mädchen. Schülerzahl 1. 5. 1924: 42 Knaben, 28 Mädchen.

Für das Berichtsjahr 1923 ist nachzutragen, dass zunächst für die Grundschule (Jahrgang 1 - 4 bzw. 5) der neue Lehrplan dem Unterricht zugrunde gelegt wurde; im Laufe des Sommers kam alsdann der Lehrplan für die oberen Jahrgänge heraus. Auf Grund der ministeriellen Richtlinien ist letzterer in Verbindung mit dem Herrn Kreisschulrat von einer Lehrplan - Kommission des Kreislehrervereins aufgestellt. Nachdem er die behördliche Genehmigung erhalten, wurde er als für alle Schulen verbindlich allgemein eingeführt. Die leitenden Gedanken wurden an dieser Stelle (Jahr 1922) bereits gewürdigt. Er verknüpft den Unterricht eng mit der heimatlichen Scholle, mit dem werktätigen Leben. In diesem Boden wurzelnd, soll er das Kind zu eigenem Schaffen anregen, zum Denken führen und die Brücke schlagen, die das Kind mit Vaterland und dieses mit der weiten Welt verbindet. Schwer erreichbare Ziele sind somit besonders der großen einklassigen Schule gestellt. Sie werden nicht von heute auf morgen zu erreichen sein.

Da gilt es auch in der Elternschaft manches Vorurteil zu beseitigen; die "Lernschule", in der sie groß wurde, ist vielen noch die allein selig machende Methode. Nur langsam gewöhnt man sich daran, dass Natur und Leben dem Kinde mehr geben als das lieb gewordene Buch.

Der auf 3 Jahrgänge verteilte Stoff in der Religion und in den Realien erlaubt ein tieferes Erfassen der Unterrichtsgegenstände. So herrscht nicht mehr die Fülle des Stoffes, der das Kind zum Objekt machte, dieses selbst steht nun im Mittelpunkte und hat sich in Verbindung mit seinem Lehrer den Stoff zu erarbeiten und sich mit ihm auseinanderzusetzen.

Wanderungen und Fahrten wurden bis zu den Sommerferien gemacht nach Clausheide, nach Getelo, Denekamp, zum Mittellandkanal und der Schleuse bei Hörstel und nach Tecklenburg. In Clausheide (8.4.24) sahen wir, welche Schätze unser armer Heideboden bei guter Bearbeitung birgt, in Getelo (28.5.24) riss ein Dampfpflug seine Decke auf, in Denekamp (24.6.24) besuchten wir das neue Museum (siehe auch 1920). Manchen bekannten Freund fanden wir dort in den Kästen und Läden; mancher, der sich sonst nur versteckt hält, musste sich hier anschauen lassen. Schönes Sommerwetter begünstigte die große Wagenfahrt, an der sich auch viele Erwachsene beteiligten.

Mai 1924 neuer Gemeindevorsteher H. van der Kamp.

In den Sommerferien, am 26. und 27. Juli, war der Lehrer mit 17 Kindern der Oberstufe bei den herrlichen Festspielen in Tecklenburg. Mit Schillers großem Werke wurden die Teilnehmer bekannt, so fielen Wort und Spiel in empfängliche Herzen. Gebannt hingen die Augen an all dem Schönen: "Trinkt, o Augen was die Wimper hält, vom goldnen Überfluss der Welt!" Ja, "wie sammelt es die Schätze nur!" Feierstunden waren es für Kinder und Lehrer; der mochte in seinem Amtsleben einen großen Tag buchen, dahin führen und leiten - in das Reich deutschen Wesens und Geistes!

11. 11. 24 Sichtvermerk Schulrat Valentin.

Im Laufe des Winters wurde für die schulentlassenen Knaben an einem Abend in der Woche Unterricht abgehalten, die Teilnahme an diesem Lern- und Unterhaltungsabend war freiwillig, es fanden sich meistens 13 - 16 Schüler dazu ein. Es wurden Themen aus dem Rechen- und Raumlehreunterricht behandelt, Briefentwürfe ausgearbeitet, Gedichte gelesen und Lieder gesungen.

Am Schluss des 3. Vierteljahres fand unter Beteiligung der Gemeindeschwester Berta in der Schule eine Weihnachtsfeier statt, reichlich gespendete Gaben erlaubten eine Beschenkung der Kinder. Die Teilnahme war außerordentlich groß.

Das Schuljahr wurde mit einer Fahrt am 31. 3. geschlossen. Der Kanal mit den Schiffen fand viel interessierte Zuschauer, das Stift Wietmarschen war den Kindern allen noch unbekannt. Die altertümliche Stiftskirche mit dem Muttergottesbilde, das Wietmarschen zu einem Wallfahrtsort machte, dann der herrliche Stiftsbusch wurden besichtigt. Zweifelsohne nahm die Kultur in dieser Wüstenei den Ausgang vom Kloster, wenn auch der äußere Eindruck der z. Z. fürstlichen Gebäude heute weniger schön ist.

Am 1. Mai kamen zur Schulentlassung 5 Knaben, (G. Tübbergen, St. Bleumer, K. Hesselink, Albert Segger und G. Gülink) und 4 Mädchen (Dina Hofste, Geertken Aalert, Geertken Buitkamp und Henny Borgmann).

Schuljahr 1925/26

Aufgenommen wurden 10 Kinder. Schülerzahl: 38 Knaben, 30 Mädchen.

Am 27. 8. war der Herr Kreisarzt Dr. Böker zu Untersuchung der Schulkinder in der hiesigen Schule anwesend. Untersucht wurden der 1., 3., 5. und 7. Jahrgang. Auf Grund dieser Feststellungen wurden nun von der Kreisfürsorgestelle, einer vor Jahresfrist neu errichteten Behörde, 3 Kinder nach der Kinderheilanstalt Himmelpforte bei Stade gesandt, mehrere Asthmakranke sind für Borkum vorgesehen. Bedauerlich war es, dass 2 weitere Kinder von dem Anerbieten keinen Gebrauch machen konnten, da die Angehörigen einer solchen sozialen Maßnahme mit dem landesüblichen Misstrauen gegenüberstanden, all diese und ähnliche Neuerungen im Schulbetrieb werden sehr kritisch gewürdigt.

Die Arbeit der Kreisfürsorge verdient besonders gewürdigt zu werden. Sie sandte auf Grund jener Untersuchung 3 Kinder nach Himmelpforten, 2 im November 1925 nach Borkum auf 6 Wochen und zu gleicher Zeit 1 Kind, Gerda Borgmann, auf 3 Monate nach Davos. Letztere kehrte am 26. Januar nach Lage zurück. Das Resultat entsprach durchaus den gehegten Wünschen, so verzeichneten die "Borkumer" eine Gewichtszunahme von 12 Pfund. Natürlich brachten die Kinder viel Anregung mit, erweiterten auch die Lehrmittelsammlung durch mitgebrachte Muscheln, Seesterne, Tang. Alle waren des Lobes voll über die freundliche Behandlung in den Kinderheilanstalten, über die reichliche Beköstigung und das gesellige Zusammenleben. Es ist anzunehmen, dass auf Grund der Erfolge auch die Elternschaft dieser Neueinrichtung mehr Liebe und Interesse entgegenbringt. Die Notwendigkeit bezeugt schon die Tatsache, dass auf Grund der vorgenommenen ärztlichen Untersuchung der Gesundheitszustand viel zu wünschen übrig lässt.

Wanderungen und Fahrten 1925:

23. Februar: nach Bimolten, Besichtigung einer Rundfunkanlage  - 31. 3. nach Veldhausen, Hohenkörben, Wietmarschen - 28. 5.: Unterstufe: Eisenbahnfahrt nach Grasdorf, fürstliche Tannen - 12. Mai Hindenburgfeier - Einsetzung des neuen Reichspräsidenten - anschließend Wanderung durch Halle, Hesingen, Hardingen: " Alle Birken grünten in Moor und Heid', jeder Brahmbusch leuchtet wie Gold!" - 15. Juli: Ausflug nach Bentheim, Besuch des Museums und des Heimatfestspiels: "Die Hermannsschlacht!" Die Beteiligung auch der schulentlassenen Jahrgänge war überaus groß, der Sommertag überaus heiß; aber wir sind eben bei unseren Ausflügen an Sonne gewöhnt. - 21. August: Ausmarsch nach Lemke über die Neegenbarge, Besichtigung der Ziegelei. - 17. November; Ausmarsch nach Frenswegen zum Kloster, Streife quer durch die fürstlichen Tannen.

18. November: Elternabend im Völkerschen Saale. Unter Leitung der Gemeindeschwester führten die größeren Mädchen eine biblische Dichtung über die Geschichte des Zachäus vor, der Lehrer hielt einen Vortrag über die Einführung des Christentums und der Reformation in unserer Grafschaft.

3. 2. 1926 Sichtvermerk Schulrat Valentin

21. 12. 25 Tannenbaumfeier in der Schule.

Die letzte Wanderfahrt des Schuljahres führte uns am 24. 3. nach dem benachbarten Holland. Südlich ging es bis Ootmarsum, dann westlich in das Heideland bei Vasse zum Heidepark eines holländischen Industriellen (den "braamberg") über Getelo - uelsen heim.

Ostern 1926

Zur Entlassung kamen: 6 Knaben (H. Brookhuis, Oldegerts, D. Buitkamp, H. Vrielemann, G. Rottmann, R. v. d. Bosch) und 3 Mädchen (G. Toenhake, F. Nyhuis, G. Borgmann) und 1 Kind nach Neuenhaus (R. Bitter). Neu aufgenommen 8 Knaben und 5 Mädchen. Schülerzahl Ostern 1926: 38 Knaben, 29 Mädchen = 67 Kinder.

Schulverwaltung - Verbandsvorsteher: 1924 trat der Lehrer als Verbandsvorsteher von seinem Posten zurück, der nun dem Förster G. Bitter übertragen wurde. Dieser nahm jedoch das Amt nicht an und brachte nach längeren Verhandlungen ein kreisärztliches Attest bei, dass er infolge eines Herzfehlers zur Übernahme eines öffentlichen Amtes nicht in der Lage sei. Daraufhin ist der Gemeindevorsteher, H. van der Kamp, zum Verbandsvorsteher, Lehrer Sager zum Stellvertreter ernannt.

Lehrmittel: Auf behördliche Anordnung hin sollen in allen Schulen die Lehrmittel vervollständigt werden, ein Erlass des Herrn Minister von 1924 regelt den Umfang derselben. Bis 1932 sollen die notwendigen Lehr- und Anschauungsmittel in allen Schulen vorhanden sein. Ein für jede Schule aufgestellter Verteilungsplan regelt die Anschaffung bis zu dem genannten Jahr. Es sind in den letzten Jahren z. B. neu angeschafft: Technologische Tafeln (Eisen und Baumwolle), geographische Bilder, physikalische Instrumente, geometrische Körper, Lupe, Maßband, Tafeln zur (...?) Geographie, Schleuderball und methodische Werke für die Hand des Lehrers, auch Einzelschriften (z. B. Pole Poppenspäler, Robinson, "Hermannschlacht" von Kleist, Weihnachten im Schnee von Stifter), Neubeschaffungen für die Schulbücherei.

Der Jahresausflug führte auch in diesem Jahr wieder nach der Obergrafschaft. Es lockte uns die Freilichtbühne in Bentheim, dorthin rief uns die Aufführung des Tell. In Neerlage verließ die junge Gesellschaft den Zug, um zunächst dem Isterberg einen Besuch abzustatten. Nächstes Ziel: Wald und Bad Bentheim. Abends suchten wir die Jugendherberge auf, die Herr Ribbink uns freundlich zur Verfügung stellte. Den Kindern wurde diese Art der Unterbringung ein lustiges Nachtlager, das Neue hat seinen Reiz! Am folgenden Morgen Wanderung durch die "Müst" nach Gildehaus, Mühlenberg, Steinbrüche. Ein frischer, rüstiger Sommervormittag bei Kuckucksruf und Drosselschlag, Heckenrosen grüßend am Wege. - Nachmittags der Tell-Aufführung beigewohnt, wir waren unserer 32. Stunde der Andacht, der Freude, stillen Genießens, möge der Schein eines solchen Tages in den Herzen lange nachleuchten!

An kleineren Fahrten wurden im Laufe des Jahres 1926 gemacht: 20. Mai: mit dem Rade über Gölenkamp nach Hardinghausen - Uelsen. 20. Juli: Wanderung nach holländisch Brecklenkamp, das Haus zu Brecklenkamp besichtigt. 6. September Fahrt nach Hesingen - Vasse. Die "Regentrude" hatte alle Schleusen des Himmels geöffnet. Entgegen aller Gewohnheit bei unseren Schulausflügen. Es sollte eine Fahrt in die blühende Heide sein, es wurde eine Fahrt in den strömenden Regen, trocken blieb nur der Humor und die Sangeslust in einer holländischen Wirtschaft. 20. September: Wanderung zur Dinkelmündung, wo wir vor Jahren ein Rätsel machten, das auch in das heimatliche Rätselbuch den Weg fand.

Et wassen tweie, de moggen sick lie'n,

de kuammen tosammen uut Süden glie'n,

Se reekten sick wake temöte de Hand,

doch kunnen se nicht voar Heide und Sand.

Man ass se bint no Nienhuis kommen,

do hebbt se sick leev in de Arme nommen.

Im November 1926 fand wieder die nun alljährlich stattfindende Untersuchung der Schulkinder durch den Herrn Kreisarzt statt. Der Gesundheitszustand war im allgemeinen gut.

Am letzten Schultag vor den Ferien, am 22. 12. wurde in der Schule eine Tannenbaumfeier veranstaltet, die von groß und klein lange ersehnt und gut besucht war. Auch die kleinsten kamen zu ihrem Recht.

Im Berichtsjahr wurden Schule und Lehrerdienstwohnung dem Leitungsnetz der Rheinisch-Westfälischen- Elektrizitätsgesellschaft angeschlossen; nachdem im Herbst 1925 die Kraftquelle der Mühle als Lichtspenderin versagte, beschloss man, dem Kreisvertrag mit der RWE beizutreten. Im Herbst 1926 war in Lage der Ausbau fertig, so dass der Anschluss im September und Oktober erfolgte.

Am Buß- und Bettag im November fand im Völkerschen Saale in Verbindung mit dem Jungfrauenverein ein Elternabend statt, wozu auch die Kinder der Oberstufe erschienen waren. Im Mittelpunkt stand ein Deklamatorium, das die Geschichte der 10 Jungfrauen behandelte, im 2. Teil ein Vortrag des Lehrers über die Zeit der Gegenreformation in der Grafschaft Bentheim. Gleich gut von Eltern und Kindern war am 22. 12. die Weihnachtsfeier besucht.

Am 17. Februar 1927 gedachten wir in der Schule des edlen Schulmannes J. H. Pestalozzi, es wurde versucht, sein Leben voll Sorgen und Mühen, von heißer Hingabe zum Volke durchdrungen, den Kindern vor Augen zu führen. Die milde Witterung lenkte dann anschließend Lehrer und Kinder hinaus nach Itterbeck, wo wir dem Rätsel der Itter nachgingen, ihre Quellen suchten und ihr Versandungsgebiet, die Dünen nach Egge zu, deren Sand Eichengestrüpp und Sandhafer binden.

Ende März folgte die Schule einer Einladung Nordhorns, wo für die Niedergrafschafter Rektor Spechts Heimatstück: "De kloke Jan van Wilsum" gegeben wurde. Der Vormittag fand die Schar der Radfahrer in Brandlechts primelgeschmücktem Stiftsbusch und in den Sandbergen Hesepes.

Ostern 1927

Entlassen wurden: G. Lahuis, Heinrich Lahuis, J. H. Lübbers, Stina Aalert, Gerda Tübbergen, Johann Borgmann. Neu aufgenommen: 3 Mädchen, 8 Knaben. Schülerzahl 1. Mai 1927: 41 Knaben, 29 Mädchen = 70.

Durch Verfügung des Herrn Ministers von 1927 ist die Schaffung von Hilfslehrerstellen angeordnet. In erster Linie soll durch die Einrichtung von 3000 solcher Stellen in Preußen die Not der Junglehrer gesteuert, dann aber auch das Schulwesen gefördert werden. In 10 einklassigen Schulen der Niedergrafschaft waren dafür die Voraussetzungen gegeben, entfielen mehr als 50 Kinder auf die Klasse. Dazu gehörte auch Lage. Die Einrichtung solcher Schulstellen bedeutet eine gänzliche Neuerung im Schulwesen, die Hilfslehrer geben beschränkte Stundenzahl, mindestens 20, die Vergütung von monatlich 150 M trägt der Staat. So trat am 13. Mai 1927 Herr Rooseboom aus Veldhausen hier sein Amt als 2. Lehrer an. In Verbindung mit dem Herrn Kreisschulrat wurde in gemeinsamer Besprechung die Richtlinien für die Neueinrichtung und für die Arbeit der beiden Lehrer an den betreffenden Schulen aufgestellt. Es ist Herrn Rooseboom hier die Mittelstufe übertragen.

14. 12.1927: Sichtvermerk Schulrat Valentin.

Die Anstellung eines Hilfslehrers in Lage stellt nun keineswegs etwas Festes dar. Herr Rooseboom war von den Pfingstferien bis zu den Sommerferien in Nordhorn beschäftigt; Ende August wurde er wieder unserer Schule überwiesen. Der Schluss des Schuljahres bedeutete alsdann auch das Ende seiner Tätigkeit hierselbst, da er nach Veldhausen versetzt wurde. Nach der Verfügung des Herrn Ministers sollen an Schulen mit Klassenzahlen über 60 Hilfslehrer nicht beschäftigt werden, vielmehr soll dort der Schulvorstand eine weitere Stelle einrichten. Aus diesem Grunde wurde zu Beginn des neuen Schuljahres ein Hilfslehrer nicht mehr nach Lage überwiesen.

Wanderfahrten und Schulfeiern: 2. 6. 1927 Wandertag, berührt wurden Halle, Hesingen, Hardingen; nachmittags Esche: hier hatte am Tage vorher ein furchtbarer Orkan viele Häuser in Trümmer gelegt, Bäume entwurzelt, der ganze Ort bot ein Bild des Schreckens und der Verwüstung. 22. und 23. Juni: Fahrt nach Bentheim, durch den Quendorfer Bahneinschnitt, wo die hier zu Tage tretenden Waldenformation zur geologischen Betrachtung lockt, ging's dem Bade zu. Der Nachmittag fand uns in der Freilichtbühne, wo wie inmitten einer großen Schar (...?) herrliches Stück "Wieland der Schmied" sahen. Der Unterricht hatte das Verstehen vorbereitet, so dass sie Freude an deutscher Dichtung und lebendig gewordener Sage rein und groß war.

Wir übernachteten in der uns wohlbekannten Jugendherberge, gingen am anderen Morgen durch die Steinbrüche nach Schüttorf und fassten darauf einmütig den Plan, noch nach Rheine zu fahren. Die Ems war unser Ziel, das schalkhafte Echo unter der Eisenbahnbrücke und die Saline Gottesgabe. Kurz vor Salzbergen setzte der Regen ein, der uns aber nach den schönen Stunden wenig mehr anhaben konnte und keine freude mehr trübte.

13. 9. Klassenfahrt aller Abteilungen nach Kloster Frenswegen. - 29. 11. Monatswanderung nach Bookholt, Aufführung des Märchenstückes "Hänsel und Gretel", später zum Kanal und zur Schleuse.  - 22. 12. Weihnachtsfeier in der Schule. - 5. 3. 28 Fahrt der Oberstufe nach Emlichheim, Besuch vom großen Geflügelhof "Wilhelmina", Wilsum, Uelsen. Sämtliche Kinder der Oberstufe zu Rad bei herrlichem Vorfrühlingswetter. - 29. 3. 28 Fahrt nach Klausheide bei Nordhorn, Schulschluss am 31. 3. 288.

Die 1. zahlärztliche Schuluntersuchung fand statt am 23. 2. durch Herrn Dr. Hatger - Neuenhaus, das Ergebnis zeigte die Notwendigkeit einer solchen Untersuchung, die zunächst nur beratenden Charakter hat.

Zu Ehren des Herrn Reichspräsidenten nahm auch unsere Schule am 2. Oktober 1927 freudigen Anteil an der 80. Geburtstagsfeier des hohen Herrn, das Vorbild treuer Pflichterfüllung. Am Vorabend traten Schule, Gemeindevorstand, Krieger- und Schützenverein gemeinsam zum Fackelzug an, das Denkmal bei der Kirche erglänzte in bengalischen Farben, Feuerwerk sprühte Funkenregen. Vom Denkmalssockel aus feierte der Lehrer S. den Jubilar, dem heute unser Dank und Gedenken gälten.

Auch bei der am 5. 3. 28 stattgefundenen Totengedenkfeier war die Schule erschienen, um bei Wort, Lied und Spruch die Herzen der dringlichen Mahnung des Tages zu öffnen.

14. 12. 27 Besuch der Schule durch Herrn Schulrat Valentin, es war dessen letzte Revision hierselbst, da er zum 1. 4. 28 nach dem Osnabrücker Kreise versetzt wurde. Sein Nachfolger wurde Ostern 1928 Herr Dr. Stuhlmacher, der am 15. 5. 28 zum ersten Mal in unserer Schule weilte. Bei diesem Wechsel sei zum Ausdruck gebracht, dass die schwierige Lage unserer Schule bei Herrn Schulrat Valentin stets volles Verständnis fand und der Genannte ihr nach Kräften ein Förderer geworden ist.

Ostern 1928

Entlassen: J. H. Moomann, F. v. d. Bosch, H. Segger, G. Gerritzen, G. Eichhorn, L. Buitkamp, Swenna Rottmann, Laida Hesslink. Neu aufgenommen: 7 Knaben, 4 Mädchen. Schülerzahl 1. Mai 1828 41 Knaben, 31 Mädchen = 72  - 1. Juli 1928: 74 Kinder  - 1. Oktober 1928: 77 Kinder.

Dem Hilfslehrer Rooseboom ist eine Lehrerstelle in Veldhausen übertragen. Da nach Lage kein Hilfslehrer mehr entsandt wurde, wurde hier wieder das alte einklassige System eingerichtet.

Im September d. J. stellt die Regierung aufs neue den Antrag, wegen der hohen Schülerzahl eine 2. Stelle einzurichten. Nach der Statistik ist die Schülerzahl in den nächsten 6 Jahren stetig im Steigen begriffen. Der Schulvorstand glaubte dann auf seiner Sitzung (am 21. 9. 28) nicht länger die Verantwortung übernehmen zu können, den Schulbetrieb wie bisher bestehen zu lassen. Mit 6 gegen 1 Stimme trat er dem Antrag der Regierung bei und bewilligte die Anstellung eines 2. Lehrers in Lage.

Zu dem Bau eines 2. Klassenzimmers will die Regierung in Osnabrück einen Zuschuss von 3000 M leisten. Der Schulvorstand kommt zu der Überzeugung, dass ein Neubau zur Zeit auf unüberwindliche Schwierigkeiten stößt und die Gemeinde diesbezügliche Lasten nicht übernehmen kann. Er macht den Vorschlag, das bestehende Schulgebäude durchzuteilen, um so 2 Klassenzimmer zu schaffen - vorbehaltlich der Genehmigung des Schulpatronen. Der Schulvorstand berichtete in diesem Sinne an die vorgesetzte Behörde. Auch wurde die Erwartung ausgesprochen, dass die 2. Stelle einem unverheirateten Lehrer überwiesen werde, um nicht gezwungen zu sein, eine Dienstwohnung bauen zu müssen.

Ein Prozess, an dem unsere Schule stark beteiligt war, hat im Verlauf des letzten Jahres viel Aufsehen erregt. Am letzten Schultag des Sommerhalbjahres 1927 machte die Oberklasse ein Geländespiel in Hardingen, wobei zum ersten Mal die neue Reichsfahne - anstelle der bislang benutzten alten - mitgeführt wurde. Dabei stieß der Haussohn H. H. Sp. aus Hardingen auf 3 Schüler, welche die Fahne trugen. Ohne jede Veranlassung machte der Genannte aber die Fahne und auch über den Lehrer die unflätigsten Bemerkungen ("schmeißt sie in den Dreck", "euer Lehrer ist wohl verrückt"), er verfolgte die Knaben, die sich dem Wüterich nur durch die Flucht entziehen konnten. Vor dem in dem Augenblick hinzu kommenden Lehrer und den anderen Kindern entfernte sich Sp. alsdann, der aber später darüber zur Rede gestellt werden konnte.

Einer Aufforderung des Lehrers, sich wegen des Betragens zu entschuldigen, kam Sp. nicht nach, vielmehr stellte er gegen den Lehrer Strafantrag wegen Beleidigung, da über ihn in dem Schreiben "flegelhaftes Verhalten" zum Vorwurf gemacht sei. Unter diesen Umständen blieb keine andere Möglichkeit, die Angelegenheit gründlich zu klären, als eine Strafanzeige. Das glaubte der Lehrer seiner Schule und den überfallenen Kindern schuldig zu sein.

Vor dem erweiterten Schöffengericht in Meppen kam der Fall am 25. 1. 28 zur Verhandlung, viele Erwachsene, der Lehrer und auch ein Teil der Knaben (4) waren dazu erschienen. Der Beschuldigte bestritt die Anklagen, ja, er wolle die Fahne vor den Schülern geschützt haben. Die Angaben der Belastungszeugen waren jedoch derart klar, dass das Gericht sich von der Wahrheit derselben überzeugte. Es erklärte, dem Angeklagten wegen seines höhnischen, flegelhaften Verhaltens keine Milde zubilligen zu könne und verurteilte ihn wegen Vergehens gegen das Republikschutzgesetz mit 1 Monat Gefängnis und Tragung der Kosten. Von einer Provokation konnte keine Rede sein; überhaupt war es abwegig, der Angelegenheit politische Motive unterzuschieben: nur durch Zufall hatten die Knaben die neue Fahne mit ins Gelände genommen.

Da dann der Beklagte gegen das Urteil Berufung einlegte, kam der Fall am 14. Juni in Osnabrück vor der Strafkammer noch einmal zur Verhandlung - und zwar mit anderem Ergebnis: Die Beleidigungen sieht das Gericht für erwiesen, doch seien diese nicht "öffentlich" ausgesprochen, was aber zur Bestrafung erforderlich sei. Der Angeklagte wurde daraufhin freigesprochen, die Kosten fielen der Staatskasse zur Last. - Bemerkt sei dazu, dass die Ausdrücke auf öffentlichem Wege (Lage - Uelsen) in Gegenwart von 3 Knaben gefallen sind, auch ein 4. hörte noch im Gebüsch einige Schimpfworte: Trotzdem hielt das Gericht den Begriff der Öffentlichkeit nicht für gegeben. Das verletzte Rechtsempfinden zurückstellend, beugten sich dann Schüler, Eltern und Lehrer vor der tiefen Weisheit der Juristen.

Nachspiel: Klage des Sp. gegen den Lehrer Sager wegen der in dem erwähnten Briefe gefallenen Ausdrücke: "flegelhaftes Verhalten", "niedrige Weise". 16. 2. 1929 Verurteilung des Lehrers S. wegen Beleidigung des Sp. zu 50 M (fünfzig RM) vor dem Amtsgericht in Neuenhaus. Juli 1929: Freispruch vor der Berufungsinstanz.

Im Berichtsjahr 1928 begann der Unterricht wie auch in den anderen Jahren im Sommer um 7 Uhr, im Winter um 8, in den dunklen Monaten um 8.30 Uhr. Der Besuch gibt zu Beanstandungen keinen Anlass; Haus und Schule arbeiten verständnisvoll zusammen, wenn die Erntearbeit die Mithilfe der größeren Kinder unbedingt erforderlich macht. Arbeit und frohe Festtage wechseln, in die nähere und weitere Umgebung führten die vorgeschriebenen Wanderungen: Am 23. 6. 28 fuhren die Kinder der Ober- und Mittelstufe per Auto nach Bentheim, der Aufführung der Wildenbruchschen "Rabensteinerin" beizuwohnen. Immer wieder machen und hier gesehene Bilden den Geschichtsunterricht lebendig.

Der Gedenktag der Verfassung wird wie ehemals der 27. 1. und der 2. 9. stets würdig begangen. Fehlt auch die laute Festlichkeit, so gibt doch das Ziel, staatsbürgerlichen Sinn zu wecken, dem Tag seine Bedeutung. Folgender Prolog, in der Lager Schule zuerst gesprochen, den die "osnabrücker Zeitung" ihrer diesjährigen Festnummer voranstellte, mag den Geist kennzeichnen, in dem Lehrer und Schüler des Verfassungstages gedenken.

Zum 11. August. Verfassungstag!

 

Ein Wort noch fremd dem oft getäuschten Ohr!

Es quillt die Not aus deinem Klang hervor!

Die Not gebar dich und die bittre Qual

Nach grauenvollem Weg in düstrem Tal.

Was uns zu Häupten in der Wiege lachte,

Das stolze Reich, das unsere Jugend überdachte:

Zerschlugen Hass und Hohn und Spott!

Es barst dein Leib aus fest gefügten Quadern.

Schwer war das Schweigen, nicht mit Gott zu hadern

Unfassbar uns, ließt du's geschehen, ew'ger Gott!

 

Und alles Leid wühlt dieser Tag empor.

Von Schmerz gebannt, verschließen Herz und Ohr

Viel tausend noch, bewusst der zugefügten Schmach,

dem Leid verknüpften, weinend heißen Sommertag.

 

Wir litten all um unser Vaterland!

Das Herzblut ihm! Voraus den Blick gewandt!

Und schmiedete der Feind uns Ketten -

Den Hammer her! Es gilt zu retten,

Was uns als deutsche Brüder eint!

Ein eisern Band um deinen Leib geschlagen

Zum Heil ihm und zum Trotz dem Feind,

soll hoffnungsfroh uns in die Zukunft tragen.

 

Dass wir daran den Glauben nicht verloren,

der Hader tot, die Liebe neu geboren:

Verkünd es, Wort, verkünd es, deutsches Lied,

So weit der Rhein durch deutsche Lande zieht,

Verkünd es zwischen Etsch und Belt,

Verkünd und ruf's und hör es eine Welt:

Ein Volk steht hier, ein Wille glüht,

Durch Hirn und Herzen zuckt und sprüht

Der Dreiklang: Einheit, Freiheit, Recht!

Wir sind nicht fremder Mächte Knecht!

 

Verkündet heute all, ihr Lieder,

Wo still ein deutscher Denker sinnt,

Wo Schweiß in lauter Werkstatt rinnt:

Der Adler rüttelt sein Gefieder,

Mark wuchs ihm innen in der Stille,

Tat wurde eines Volkes Wille!

 

Was rechts! Was links! Was Kastengeist!

Den tiefen Sinn des Tages preist!

Steht Hand in Hand! Aus Nacht und Not

Weicht einmal doch dem Morgenrot

Die letzte Wetterwolke!

Der Himmel hell und Deutschland frei!

Verfassungstag - er sei

Ein Segen unserem Volke!

                                 L. S.

7. 9. Wandertag nach Grasdorf zur Vechte, die Stätten alter Trutzburgen suchend am "Poaschebarg" und jenseits des Flusses. - 17. 9. Reichsjugendwettkämpfe, gemeinsam mit den Schulen von Hardingen und Halle, im Eilbotenlauf und im Kriegsball holte die Lager Schule wieder den Sieg wie in den Vorjahren. - 21. 9. Beginn der Herbstferien. Anschließend setzten wir uns aufs Rad, fuhren über Nordhorn, Engden, Drievorden nach Schüttorf, wo wir in das Getriebe der Fabriken einen Blick taten. Quartier war allseits freundlichst zur Verfügung gestellt. Am folgenden Tag brachte der Zug unsere Schar nach Münster, der Zoo war unser Ziel im engeren Sinne, aber auch das Stadtbild bot den Kindern außerordentlich viel Sehenswertes. - Gegen Abend von Schüttorf aus mit dem Rade heimgefahren, bis die Dunkelheit uns in Nordhorn trotz der Eile doch überraschte. - Am 31. 10. Tag der Reformation, der auf Anordnung der Behörde in allen evangelischen Schulen festlich begangen wird. Ihre Aufgabe muss es sein, die Gestalt Luthers lebendig zu erhalten. - 7. 12. Fahrt mit dem Rade über Ootmarsum, Singraven nach Denekamp zum Museum. - 22. 12. Weihnachtsfeier in der Schule.

Zum 1. 1. 29 wurde Herr Bodenstein aus Osnabrück, bislang Hilfslerher in Wehdel, aushilfsweise als 2. Lehrer an unsere Schule versetzt. Damit ist in Lage die umstrittene 2. Lehrerstelle eingerichtet. Herr Bodenstein unterrichtet die Mittelstufe von 1.00 - 4.30 nachmittags, Mittwochs und Sonnabend von 10. - 1.00 Uhr. Der Lehrer Sager behält die Ober- und Unterstufe. Die Regierung drängt auf den Bau eines 2. Klassenzimmers. Ein solcher Plan, die alte Schule durchzubauen, ist bereits nach Prüfung durch den Regierungsbaumeister vorgelegt, stößt aber bislang infolge des Patronatsverhältnisses auf Schwierigkeiten. Die Zusammenarbeit mit dem 2. Lehrer ist in jeder Hinsicht gut. Umso bedauerlicher war bald die Kunde, dass der Lehrer Bodenstein nach Telge, Kreis Bersenbrück, zum 1. 4. versetzt sei. An seine Stelle trat zu diesem Termin Herr Wedekämper, gebürtig aus Iburg.

Vom 11. - 19. 2. wurde der Unterricht vom Herrn Kreisarzt wegen der herrschenden Grippe-Epidemie geschlossen.

Ostern 1929

Entlassen: H. J. Bergmann, A. Engbers, L. Küper, H. Hoedt; Mina Nykamp, G. Toenhake, H. Tübbergen, Gerda Hoedt. Zur Mittelschule entlassen: Anni Bitter, Erna Kotmann. Zugang: 3 Knaben, 6 Mädchen. Schülerzahl 72 Kinder und zwar 40 Knaben und 32 Mädchen. Unterricht Oberstufe + Unterstufe: Lehrer Sager, Mittelstufe: Lehrer Wedekämper 1 - 5 Uhr, 10- 1 Uhr mittwochs und Sonnabend, dazu in I. Zeichnen, Singen Naturkunde Wedekämper.

Schwimmunterricht. Da die hiesige Schule gute Badegelegenheit hat, wurde davon in den warmen Sommerwochen reichlich Gebrauch gemacht. Der neuzeitliche Schwimmunterricht, mit dem der Lehrer anlässlich eines kurzfristigen Kursus in Osnabrück bekannt wurde, kennt nicht mehr die abgehackten Taktübungen alter Methode; er geht zurück zu den natürlichen Körperbewegungen. Zunächst heißt es, die Wasserangst spielend zu überwinden, die Tragkraft des Wassers zu erproben. Dieses zu "drücken" und den Körper damit zu "schieben". Die Erfolge sind nicht ausgeblieben, von der Oberstufe schwimmen etwa 60-70%.

Offensichtlich ist die Wandlung seit den letzten 16 Jahren. Damals, 1913, stand man in Lage dem Baden vielfach noch feindlich gegenüber. Heute sehen die Eltern, bis auf die wenigen Unverbesserlichen und Überklugen, gern zu, wenn die Schule auch auf dem Gebiete der Leibesübungen "frisch, fromm, fröhlich und frei" arbeitet.

Durch die Anstellung eines 2. Lehrers sind der Gemeinde Lage, zu der seit dem 1. 4. 29 auch Brecklenkamp infolge Eingemeindung gehört, erhebliche Kosten erwachsen, so das die Gemeindevertretung gezwungen war, die Gemeindesteuern von 250 % der Grundsteuern auf 430 % zu erhöhen. Wenn der Bau eines 2. Klassenzimmers immer noch auf sich warten lässt, trotzdem die Regierung in Osnabrück den Bau in der Hauptsache finanzieren will, so liegt es allein an den eigentümlichen Rechtsverhältnissen, die in dem Vertrag des Schulpatron mit der Gemeinde festgelegt sind. Danach braucht ersterer nur 800 M in bar - außer Unterhaltung der Gebäude - zu den Schulkosten zu leisten. Es fragt sich nun, ob bei dem neuen Steuersatz nicht die Gemeinde in ihrem Interesse auf eine Änderung des Vertrages dringen muss.

Die Schulkinder hatten im Verlauf des Sommers Gelegenheit, 2 klassische Werke unserer großen Dichter zu sehen: am 10.Mai den Götz in Wilsum. Fußwanderung über Hardinghausen durch die Heidelandschaft. Es soll den Wilsumern unvergessen bleiben, was hier geboten wurde. Am 19. Juni Fahrt nach Bentheim, die "Nibelungen" auf der Freilichtbühne. Die in den Geist des Stückes eingeführten Kinder konnten sich der erschütternden Tragik nicht entziehen; was sie bislang von Siegfried gehört, bekam Leben und Farbe. Unauslöschliche Eindrücke.

Am selben Tag, die "Sonn schien nieder, die Hitz' war groß", auch in Gildehaus gewesen, den Blick vom Mühlenberg geworfen und durch die Steinbrüche gegangen. 23. Juni Fahrt nach Itterbeck, Quelle der Itter gesucht und den geologischen Verhältnissen nachgegangen, weiter nach Wilsum, wo am 21. 7. ein schweres Hagelwetter die Ernte vernichtete. Die Mittelstufe wanderte am 18. 7. mit Herrn Wedekämper nach Kloster Frenswegen, anschließend erkrankte der Lehrer ziemlich bedenklich. Sommerferien vom 24. 7. bis 15. 8. Bei der Festsetzung der Ferien im Sommer und Herbst wird stets der Elternrat hinzugezogen, der im übrigen ein stilles Dasein führt.

Der Unterricht entfaltet sich nach Möglichkeit auf dem Boden der Heimat. So konnten in dem schönen Sommerhalbjahr fast sämtliche Naturgeschichtsstunden im Freien abgehalten werden, am Bache, in der Wiese und im Walde. Der Schulraum war alsdann für die Unterstufe frei.

17.9. Reichsjugendwettkämpfe, Halle, Hardingen und Lage. Der Marsch bietet dazu einen sehr geeigneten Sportplatz. Vom friedlichen Wetteifer gepackt, kämpft dort die Jugend eifrig um Urkunde und Kranz. Zum ersten Mal wurde ein Wettschwimmen damit verbunden, das Lage als Gastgeber den Gästen bot.

21. - 23. September Wanderfahrt durch den Teutoburger Wald. Den 15 Teilnehmern bot sich eine unendliche Fülle neuer Eindrücke: die Dörenther Klippen, das Bergstädtchen Tecklenburg, Iburg, das Schloss, der Dörenberg mit der Fernsicht, das Bild der Berge, das schmucke Jugendheim bei G.M.-Hütte, die Pestalozziherberge, die Stadt Osnabrück und auf der Rückfahrt den Hafen Bergeshövede mit der großen Schleuse, den hohen Brücken über den Mittellandkanal und Dortmund - Ems - Kanal. Es waren Tage, an denen sich vielfach manch geographischer Begriff zu einem klaren, lebendigen Bilde gestaltete, und nebenbei zeitigte das für unsere Landkinder so große Erleben noch eine weitere Wirkung: gepflegt wurde durch die gemeinsam verbrachten Tage, durch die gemeinsam gesammelten Eindrücke der Geist unserer Schulgemeinschaft.

Schulbücher: Das alte Lesebuch der Schürenstiftung (Anm.: Diese Stiftung gab eine Reihe von Schulbüchern heraus) ist inzwischen aus den Schulen verschwunden. An seine Stelle traten der "Blütenbaum" eine nach großen Gesichtspunkten geordnete Sammlung (...?) Gutes, dann "Aus deutscher Truhe", Prosastücke unserer besten Erzähler; da kommen Löns und Frenssen, Bäthe und Bonsels zu Wort. Gelegentlich wird auch die Tageszeitung heran genommen, beliebt ist Klassenlektüre, genannt seien: Pole Poppenspäler, "Weihnachten im Schnee" (Stifter), Die Nibelungen, Wilhelm Tell. Wie das auf der Freilichtbühne Gesehene ein solches Stück belebt, braucht kaum erwähnt zu werden. In der Mittelstufe wurden zuletzt die Bernibücher gelesen, eingeführt ist hier das Lesebuch "Heimat und Vaterland", auf der Unterstufe "Jetzt kann ich lesen!"

Im Religionsunterricht hat der alte "Jahn" nicht mehr die überragende Bedeutung. Da wird fast ausschließlich die Bibel als Quellenbuch benutzt. Dem Leben Jesu das Markus - Evangelium zu Grunde gelegt. In zwangsloser Besprechung wir alsdann der tiefe Sinn erarbeitet, wird versucht, Verständnis und Liebe für religiöse Wahrheiten zu wecken. Der anschließende Katechismusunterricht führt alsdann in die Glaubenslehre der Kirche ein und bereitet so den Konfirmandenunterricht vor. Der Memorierstoff ist in Gemeinschaft mit den kirchlichen Organen im Lehrplan festgelegt. Dabei muss gesagt werden, dass es oft schwer ist, den pädagogischen und den praktischen Standpunkt zu vereinen: die altertümliche schwer fassliche Form, der schwere Stil der Fragen im Heidelberger Katechismus macht das Lernen vielfach zur Qual, einer Qual, die Sitte und Festhalten an überlieferten Formen fordert. Wird neben dem Kirchenlied auch der Reimpsalm gepflegt, so kann sich der Pädagoge damit schon eher abfinden: bieten sie doch viel des Schönen, starkes Glaubensleben und eine herrliche Sprache. - Im Sprachunterricht wurde bis 1927 das Sprachheft von Lange benutzt, seitdem aber das Meyersche Sprachbuch in 2 Teilen, das viel Anregung zu selbständiger Arbeit gibt. Die Deutschbücher verdanken ihre Entstehung der Osnabrücker Lesebuch - Kommission. Im Rechenunterricht liegen 5 Bücher vor, die vielfach auf das praktische Leben Bezug nehmen und im Verhältnis zu früher das formale Rechnen - als Mittel zum Zweck - zurückstellen. Im Gesangsunterricht wird noch das Liederbuch von Kummer benutzt, doch wartet es bereits auf den Nachfolger.

Für den geographischen Unterricht wurde ein großer Globus angeschafft.

Der Schulvorstand - in Verbindung mit dem Gemeindeausschuss - fasste den Entschluss, nach dem Vorschlag des Regierungsbaumeisters und den vorgelegten Zeichnungen, die Schule umzubauen. Es soll dadurch eine größere und eine kleinere Klasse geschaffen werden. Alle Anwesenden waren sich darin einig, dass ein groß angelegter Neubau abseits von der Straße notwendig und daher erstrebenswert sei; aber dieser Plan muss an der Geldfrage scheitern. So entschied man sich für die Lösung, die im Bereich des Möglichen liegt. Über den Neubau demnächst mehr. -

Am 20. 12. 29 wurde noch einmal im alte Schulhause die Weihnachtsfeier abgehalten - in Zukunft wird dafür der Raum nicht ausreichend sein. In dem plattdeutschen Festspiel zu diesem Abend, "Die Verschwörung auf der Neustadt in Lage", das den Gedanken  der Schulgemeinschaft zum Inhalt hat, wurde zum Schluss feierlich darauf hingewiesen: die letzte große Feier in diesem Raum, der den vielen anwesenden so viele Erinnerungen gegeben hat, das solle man in Ehren halten.

4. 2. 1930 Wandertag: Fahrt nach Wietmarschen, Besuch der alten Stiftskirche mit ihren Sehenswürdigkeiten, die ehemals das Ziel mancher Wallfahrt waren. Der Weg am Süd-Nord-Kanal zurück, über Bookholt, führte durch unbekannte, menschenleere Gebiete. Ein Tag, der viel Freude machte!

7. 4. 1930. Wandertag, der die Oberstufe nach Brandlecht, Hesepe und Nordhorn führte. Am selben Tage wurde der Unterricht in der Fortbildungsschule geschlossen. Der Unterricht wurde im letzten Winterhalbjahr von den Lehrern Sager und Wedekämper erteilt und zwar an den 2 Abenden in der Woche. Unterrichtsgegenstände: Deutsch, Rechnen, Bürger- und Wirtschaftskunde. Der Besuch war besser als in den Vorjahren.

Lehrer Sager, der zum 1. 4. 1930 nach Neuenhaus versetzt ist, nahm am 8. 4. Abschied von der Lager Schule, an welcher er seit 1913 angestellt war. Obwohl die Kinder zu Hause sehr in Anspruch genommen waren, stellt der Schreiber gern fest, dass die Elternschaft der Schule vertrauensvoll und wohlwollend gegenüberstehen. Dabei ist zu bemerken, dass fast jede Familie im Schulbezirk eine geschlossene Einheit bildet und das in einem Maße, welches der Schulgemeinschaft an und für sich nicht günstig ist. Da mag die Schule die Aufgabe haben, Brücken zu schlagen über das Misstrauen, das in einem Gutsdorfe Erbgut der Jahrhunderte zu sein scheint, über die Verschiedenheit der Weltanschauungen in einem Dorfe, das sich aus Landwirten, Arbeitern und Handwerkern, Besitzern und Pächtern zusammensetzt. Trennend wirkt sich namentlich die verschiedene Auffassung zum reformierten Bekenntnis aus, die verschiedene kirchliche Einstellung. - Uelsen, Lage! Der Eintritt in den Konfirmandenunterricht trennt da leider oft das mühevoll Zusammengefügte, die Arbeit der Schule. Nur die noch stärkeren Kräfte einer umfassenden Schultradition können hier Wandel schaffen.

Dass sich Spiel- und Freundeszirkel bildeten, Schüler sich gelegentlich nachmittags zu Arbeitsgemeinschaften zusammenfanden, kranke Kameraden gemeinsam besucht wurden, geht gegen alle Gewohnheit, gegen alles Herkommen. Hier hat die Schule eine zarte Pflanze auf neuem Boden zu pflegen. Der bisherige Lehrer scheidet mit den besten Wünschen von seinem Mitarbeiter, seiner Schule und seinen Kindern.