von Lehrer Ludwig Sager
Lehrerwechsel:
Am Anfang des Jahres 1913 kam Herr Götker um seine Pensionierung ein, infolgedessen er zum 1. Mai nach 29jähriger, erfolgreicher Tätigkeit in den Ruhestand trat. Von Januar bis zum 20. April war Herr Niederhellmann aus Lintorf, vom 1. – 30. Mai Herr Schmidt zur Vertretung hier anwesend.
Inzwischen war ich, der Lehrer Sager aus Uelsen, gebürtig aus Schüttorf, vom Herrn Beron mit Zustimmung der Hg. Königlichen Regierung, des Konsistoriums und des Schulvorstandes zum Lehrer und Organisten der Gemeinde Lage ernannt. Zum 1. Juni trat ich hier mein Amt an, am folgenden Tage, am Montag, dem 2. 6. führte Herr Pastor Busse mich in mein Amt ein.
Jahrhundertfeier
Das Jahr 1913 war reich an stolzen Erinnerungen. Am 15. 6. feierte man im ganzen deutschen Vaterlande das 25. Regierungsjubiläum S.M. des Kaisers, verbunden mit einer Gedenkfeier an die preußisch-deutsche Erhebung von 100 Jahren. Dass man dankbar der Väter gedachte, welche die Freiheit erstritten, dankbar auch zum Kaiser aufblickte, der mit starker Hand einen ehrenvollen Frieden schirmte, davon soll der Gedenkstein zeugen, der im Dorfe am 16. Juni enthüllt wurde und eine diesbezügliche Inschrift trägt. Er erhielt seinen Platz auf einem kleinen künstlichen Hügel auf dem so genannten „Marsch“, also auf dörflichem Grund und Boden. Herr Pastor Busse hielt vor versammelter Gemeinde die Festrede, in der er eindrucksvoll des Opferjahres 1813 gedachte und unseren Kaiser als den Beschützer des Friedens feierte. Die Behörden unseres kleinen Gemeindewesens, der Krieger- und Schützenverein sowie die Schulkinder waren sämtlich zur Feier erschienen. Letztere sangen das niederländische Dankgebet und zogen dann in geordneten Reihen mit zur Lavarreschen Wirtschaft, wo sie mit Kuchen und Limonade reichlich bewirtet wurden, dann fröhlich spielten und , wetteifernd, sich manches kleines Geschenk eroberten.
Schulausflug
Im Spätsommer des Jahres machte ich mit den Kindern der oberen Abteilung einen Ausflug nach den Uelser Bergen und nach Wilsum. Der Himmel klärte sich immer mehr auf, als wir unter fröhlichem Gesange frühmorgens durch die Bauerschaften Hardingen und Höcklenkamp marschierten. Nach kurzer Rast in Uelsen ging’s weiter nach Wilsum. Von der höchsten Erhebung ließen wir den suchenden Blick ins Tal schweifen, grenzenlos irrte das Auge durch die Grafschaft, unsere einsame und doch von Schönheiten so reiche Grafschaft Bentheim. In Wilsum nahmen wir die Schule und Kirche in Augenschein, während wir unterwegs Kiesgruben, eine Zementfabrik und namentlich eine Tonziegelei besichtigten. – Nach längerer Rast und vorzüglicher Stärkung bei Kaffee und Butterbrot brachen wir wieder auf nach Uelsen. Bereitwilligst waren die ein Fuhrwerk besitzenden Eltern der Schulkinder meiner Aufforderung, uns von hier abzuholen, gefolgt. Nach fröhlicher Fahrt gelangten wir gegen 8 Uhr in Lage an.
Gemeinschaftlich mit den Schulen von Hardingen, Halle und Getelomoor feierte man das Sedanfest in der Hesinger Heide. Leider konnten wegen des regnerischen Wetters die geplanten Kriegsspiele nicht im vollen Umfange stattfinden, unser Hauptfeind, Uelsen, war nicht erschienen. Bei dem Bauern Kolde in Höcklenkamp kochten wir ab, tranken unsere Bouillon, die bei den durchnässten Kindern ihre gute Wirkung nicht verfehlte. Im Herbst 1913 wurde durch Klifmann von hier und einem fremden Maurer der neue Abort hinter der Schule erbaut.
Weihnachtsfeier
Am Sonntag dem 2. 12. fand auf Veranlassung unserer verehrten Frau Pastor Busse eine Weihnachtsfeier der Schulkinder statt, zu der auch die Erwachsenen eingeladen waren. Kaum konnte die Kirche all die Besucher fassen. Hell und freundlich strahlte der Lichtbaum den Kindern entgegen, deren Augen glänzten. Auch die Kleinsten auf dem Mutterschoß waren mitgekommen. Nachdem zweistimmigen Lied: „Es ist ein Ros entsprungen“ hielt Herr Pastor Busse die Ansprache über Lukas 2. Gesang und Deklamation wechselten, worauf die erhebende Feier mit Gebet und Austeilung von Büchern und Backwerk geschlossen wurde.
Kaisers Geburtstag
Die Feier des Geburtstages S. M. des Kaisers fand in gewohnter Weise statt, während die Schulkinder abends unter Vorantritt einer Musikkapelle zum Fackelzug antraten.
Masern
Im Januar 1914 traten hier die Masern auf, die jedoch bislang ganz normal verliefen und nicht bösartig wurden.
Todesfall
Zu unserer größten Betrübnis verloren wir aber in diesem Monat einen kleinen, lieben Mitschüler durch Lungenentzündung. Jan – Albert Hofste aus Brecklenkamp im Alter von 6 ½ Jahren. Noch am Freitag besuchte er den Unterricht, spielte bis zum späten Abend auf dem Eise, worauf er am folgenden Morgen erkrankte. Schon gleich nach Mittag hat ihn der Herr den Seinen entrissen. Der traurige Fall war Lehrer und Schülern eine eindringliche Mahnung, dass wir „mitten im Leben vom Tode umfangen sind.“
Schulkassenverhältnisse
Die finanziellen Verhältnisse der Schulkasse sind nicht die besten. Durch Vertretungen im Anfange dieses Schuljahres hatte die Kasse außerordentliche Ausgaben, der außerordentlich verminderte Einnahmen durch Kürzung der Ergänzungszuschüsse gegenüberstanden. Eine Beschwerde von dem Kreisausschuss blieb ohne Erfolge, so dass, um die Ausgaben decken zu können, eine Anleihe von 400 M gemacht wurde. Trotz der Leistungen unseres Barons sind wir demnächst genötigt, die Schulkosten bedeutend zu erhöhen. Obige 800 M – Schulbeitrag des Barons – kommen mithin nicht mehr der Gemeinde – wie es doch sein soll – sondern dem Kreise zugute, auf welchen Punkt hinzuweisen ich bei keiner Gelegenheit verfehlt habe.
Hochwasser
Der Monat März brachte uns reichliche Regengüsse, so dass die Dinkel Hochwasser führte. Die Brecklenkamper Kinder können aus diesem Grunde schon seit 8 Tagen die Schule nicht besuchen, da sie vollständig abgeschnitten sind. Desgleichen fehlen schon fast 1 ½ Wochen aus derselben Ursache die Geschwister Kalverlage. Heute nun, 12. 3. 14 ist auch der „Diek“ zur „Neustadt“ vom Wasser überflutet. Es fehlen somit 30 % der Schüler.
Obstbaumkursus des Lehrers
Vom 15. – 27. April nahm der Lehrer Sager auf Veranlassung der königlichen Regierung in Quakenbrück an einem Obstbaumkursus teil, der im Sommer und Herbst fortgesetzt wird. Herr Lehrer Tibbe aus Neuenhaus gab während dieser Zeit an einigen Nachmittagen Vertretungsunterricht. Das neue Schuljahrverringerte die Schülerzahl nicht unerheblich, indem diese von 70 auf 60 sank. Dazu kam zum 1. 5. ein Hütejunge, so dass die Schule jetzt von 29 Knaben und 32 Mädchen besucht wird. Es wurden 7 Sechsjährige aufgenommen, 14 Kinder verließen Ostern die Schule.
Obstbau- und Zeichenkursus des Lehrers
Das 1. Vierteljahr dieses neuen Schuljahres wurde am 13. Juli geschlossen, da ich vom 13. – 18. Juli in Quakenbrück weilte, wo der 2. Teil des Obstbaumkursus abgehalten wurde. Daran schloss sich der Zeichenkursus zwecks Einführung der neuen Zeichenmethode vom 20. 7. bis zum 1. 8. in Osnabrück an. Allerdings wird schon seit Februar 1912 in unserer Schule nach der neuen Methode (vom Jahre 1902) gezeichnet, wenn auch mit sehr geringem Erfolge. Infolge meines mangelnden Zeichentalentes sah ich mich somit genötigt, an dem Kursus teilzunehmen. Geben wir uns also der angenehmen Hoffnung hin, dass die mühevollen Tage in Osnabrück bald gute Früchte zeitigen. Im Sommer 1914 war der Herr Kreisarzt D. Quentin aus Bentheim zur Untersuchung der Kinder hier anwesend. Einige Kinder waren tuberkulös, 1 ... (?), sonst Ergebnis günstig.
Anmerkung: Der Bericht über die Jahre des 1. Weltkriegs in dem kleinen Dorf Lage ist ein einmaliges Dokument. Die ausführliche Darstellung, zum überwiegenden Teil von Lehrer Ludwig Sager verfasst, gibt einen anschaulichen Einblick in die vom Krieg gekennzeichneten Verhältnisse in einem kleinen Dorf, besonders aber auch in die nationalistisch - chauvinistische Stimmung in Deutschland zu Beginn des Krieges, die letztlich in tiefe Verstörung umschlägt.
Kriegsausbruch
Und dann nach bangen Tagen des Harrens, als uns der Puls stockte und Europa den Atem anhielt, brauste es plötzlich wieder durch die deutschen Lande: Lieb Vaterland, magst ruhig sein! Am Sonnabend dem 1. August (1914), diesem ewig denkwürdigen Tage, war’s, als der eiserne Reifen geworfen, als vom Lügengerede unserer uns hassenden Feinde der Vorhang fiel und wir vor der nackten, grausigen Wahrheit standen: nur mit ungeheuren Opfern von Gut und Blut gegen Neid und Hass und Lüge mächtiger Feinde unsere Weltmachtstellung zu verteidigen. Sollte unser Bundesgenosse Österreich (und damit wir) das Recht haben, die frevelnde Mörderbande in Serbien zu bestrafen, oder sollte unter der Fürsprache der mächtigen slawischen Brüder das Unrecht triumphieren! Sollten sich die germanischen Kaiserreiche an die Wand drücken lassen! Nein und abermals: nein! Aber gegen Treubruch und Ehrlosigkeit prallten die heißesten Bemühungen unseres Kaisers um den Weltfrieden ab. Der Ring war längst geschlossen zwischen den kultur- und freiheitsfeindlichen, panslawistischen Großfürstensippe, dem rachsüchtigen Gallien und dem perfiden Albion, Neid und Hass ward zum Kitt, und – nach dem „Hannoverschen Kurier“ – „das Erkennungszeichen der drei edlen Brüder eine serbische Dynamitbombe auf der Armbinde“.
So wurde heuer wieder der Landmann von Pflug und Haus unter die Fahnen gerufen, unser friedliches Volk musste das Schwert ergreifen.
Mobilmachung
„Du dachtest nicht an Kampf und Streit,
in Fried und Freud und Ruh.
Auf deinen Feldern weit und breit
die Ernte schnittest du!“
Bis dann plötzlich der schrille Ruf „Mobil“ die Leute von ihrer emsigen Arbeit auffahren ließ! Das war am Sonnabend abends bald nach ½ 7 Uhr, da ruhten in unserem Dorfe alle Sensen und Arme, und erregte Gruppen standen allerwärts auf der Straße, die mit ernsten Mienen die Lage erörterten. Wir gehen fehl, wenn wir annehmen, in Liedern, Reden und Hochrufenäußern sich in einem kleinen Dörfchen wie Lage spontane Begeisterung – nur die Tat sollte von dieser zeugen, wie späterhin dargetan werden soll. Unser Landbewohner, in dessen Gesichtskreis seine Äcker und Weiden, seine Familienangehörigen und all seine ureigensten Interessen zunächst alles fern liegende verdrängen, fragt sich sogleich: „Wer von den Deinen muss mit ins Feld? Ob er wiederkommt?“ Und diese Fragen brachten manchem Mutterauge Tränen und Schluchzen hörte man bei der jungen Gattin, die doch so stolz auf ihren strammen Reservisten gewesen war.
(Anmerkung: Es folgen eine Reihe von Namen von Kriegsteilnehmern, teilweise mit Hinweisen auf Verwundungen und Todesdatum.)
Abreise der Reservisten
Am Dienstag, dem 4. 8. geleitete der Kriegerverein seine Reservisten zur Bahn, die sich vom 4. Mobilmachungstage zu stellen hatten. Die Segenswünsche der Bevölkerung folgten ihnen. In ihrer Mitte waren auch Freiwillige, G. Vos, Gerhard van den Bosch, Jan van den Bosch, Johann Braakmann, die jedoch nach einigen Tagen als überzählig zurückkamen. Auch mir war es am Donnerstag, 5. Tag, nicht möglich, in Lingen anzukommen, da ich von der Zivilbehörde als unabkömmlich gezeichnet war. Ein diesbezügliches Gesuch ist meinerseits an meine vorgesetzte Behörde gerichtet.
Einberufung der Landstürmer
Natürlich verursachte die Einberufung der Landstürmer, die in der Nacht zum 1. Mobilmachungstage stattfand und hier angeschlagen wurde, zunächst wohl begreifliche Aufregung. Der gediente Landsturm hat sich nächsten Sonnabend, 15. August, in Lingen zu stellen, während der ungediente sich Mittwoch, dem 12. August beim Vorsteher v. d. Kamp zu melden hat.
Betstunde
Am Donnerstag, dem 5. August wurde hier wie überall ein Betgottesdienst abgehalten, der Predigt wurde der Text Psalm 68.20 zugrunde gelegt. Kurz vorher war die Nachricht eingelaufen, dass auch England und Belgien auf der Seite unserer Feinde standen. Viel Feind – viel Ehr!
Die ersten Kämpfe
Gleichfalls wurde bekannt, dass unsere Flotte die russische vernichtet habe und 28.000 Franzosen gefangen genommen seien. Diese Gerüchte traten so bestimmt auf, dass selbst der Prediger Veranlassung nahm, diese Punkte in der Predigt zu erwähnen. Leider ist bis heute, 12. 8., die Bestätigung ausgeblieben. Das schneidige Vorgehen des Kreuzers Augsburg, der den Kriegshafen Libau beschoss, dass die Stadt in Flammen aufging, die Erfolge von der Grenze über russische Kavallerie – bei Wirballen – dann die herrliche Waffentat von Lüttich gaben uns Zeugnis, dass noch der alte Geist in unserer Armee herrscht.
Die Stimmung bei der Grenzbevölkerung
Oft wurde hier an der Grenze die Köpfe der Bevölkerung erregt von beunruhigenden Nachrichten, welche die neidischen holländischen Zeitungen brachten, ja, Lüttich war schon das Grab des deutschen Heeres geworden, welchem der Handstreich der Reiter missglückt war. Vom wahrhaft nationalen Empfinden darf man anmerken, dass er alle persönlichen Interessen der gemeinsamen großen Sache unterordnet und diese zur innersten persönlichen Herzenssache macht. Legen wir nun diesen Maßstab an, so muss man unseren Grenzbewohnern in vielen Fällen die selbstlose Vaterlandsliebe absprechen, die Gleichgültigkeit in nationalen Dingen ist an der Grenze sehr stark. Man preist jeden glücklich, der nicht mit ins Feld zu ziehen braucht und denjenigen, den ein armseliger Schreiberposten vor jeder Gefahr bewahrt. Beschämend war es, dass ein großer, reicher Bauer einen kleinen Ackerbürger aus Lage, einen Wehrmann, am Abend vor seiner Gestellung um ganze 13 M, als Rest der Landmiete, mahnte! Die jüngere Generation scheint allerdings schon anders zu denken, und Schreiber dieses hofft, dass die jüngste Generation andere Begriffe vom Vaterland und Freiheit erhält.
Bürgerwehr
In den ersten Tagen war die Furcht vor fremden, Gold befördernden Kraftfahrzeugen, Fliegern und Spionen sehr große, so dass auch hier auf Betreiben des Hülfsamtes zur Errichtung einer Bürgerwehr geschritten wurde, die an gefährlichen Punkten Wache halten soll. Der Vorsteher Herr v. d. Kamp beschied am Mittwoch sämtliche männliche Personen des Dorfes nach der Schule, wo er ihnen die Aufgaben der Wehr klarlegte und den noch nicht staatlich Vereidigten den Treueid abnahm, und sie somit mit polizeilicher Befugnis ausstattete. An folgenden Stellen stehen seitdem ständig Posten, nachts Doppelposten, die alle 4 Stunden abgelöst wurden.
1.) von der Marschbrücke bei A. Liese,
2.) auf der Neustadt, wo die holländische Straße endet, also an der Grenze,
3.) bei Colon Bergmann, ebenfalls an der Grenze,
Die Posten sind zum Teil mit allen Militärgewehren, zum Teil mit Jagdflinten und Revolvern bewaffnet. Ein Wachhabender stellt nachts die Verbindung zwischen den einzelnen Posten her. Herr Bosmann stellt die Postenliste auf, die dann alle Tage von dem Gemeindediener Segger den Betreffenden bekannt gegeben wird.
Ähnlich so ist auch in den benachbarten Gemeinden der Militärdienst geregelt. Es ist natürlich von Wichtigkeit, dass das Erscheinen von Luftfahrzeugen sofort am amtlicherseits gemeldet wird, um aus den verschiedentlichen einlaufenden Berichten deren Fahrrichtung zu ermitteln.
Frauenhilfsverein fürs „Rote Kreuz“
Am Sonntag, dem 9. wurde hier in der Schule ein Frauenhilfsverein gegründet, welcher durch Nähen von Hemden und Wollsocken die Arbeit des Roten Kreuzes unterstützen will. Dem Verein, der von Frau Pastor Busse geleitet wird, sind durch Sammlungen in den letzten Tagen reichliche Mittel zugeflossen, Geld und Leinen, so dass am Donnerstag mit den Arbeiten begonnen werden kann. Es soll einmal wöchentliche gemeinsam im „Herrenhause“ gearbeitet werden. Mit verschiedenen Ausnahmen wurde überall gern und reichlich gegeben. Herr Westrick – Kalverlage aus Grasdorf, dessen Kinder unsere Schule besuchen, zeichnete 50 M, was dankbar anerkannt werden soll. Die Sammlung ergab im ganzen: ca. 1100 M und sehr viel Leinen.
Mitwirkung der Schule
Dem Aufrufe in den Zeitungen folgend, verfertigen die Mädchen der Ober- und Mittelstufe fleißig Strümpfe, wozu die Handarbeits- und auch andere Stunden benutzt werden. Dabei sei bemerkt, dass die Knaben der betreffenden Stufen meist wegen Hülfe bei den Erntearbeiten fehlen, so dass der Unterricht in den meisten Fächern nicht fortgesetzt werden kann.
Ernte
Es ist ein glücklicher Umstand, dass die diesjährige Ernte eine gute ist, so dass mir aufs erste wenig vom Auslande abhängig sind. Die Roggenernte war am Anfange des Krieges in vollstem Gange, nachdem sich der erste Schreck gelegt hatte, fuhr man rüstig weiter fort. Manchenorts herrschten natürlich große Unlust zur Arbeit, die erst allmählich der ... Vernunft wich. Roggen, Hafer, Gerste, Rüben und Bohnen stehen gut, Weißkohl mäßig. Überall wird amtlich auf den Anbau von Grünkohl, Kohlrabi, Endivien und anderes noch anzubauen, von Früchten hingewiesen. Da bietet sich auch der Schuljugend ein weites Arbeitsfeld. In der 1. Kriegswoche war das nasse Wetter der Einbringung des Roggens nicht günstig; seit dem 9. August herrscht jedoch schönstes Sommerwetter, so dass sich die Felder leeren. Aus Lage sind bislang 3 Pferde eingezogen, die am Montagmorgen in Nordhorn abgeliefert werden mussten. Trotzdem diese wie auch die vielen fleißigen Hände der Arbeit entzogen sind, kann man von keiner Stockung in Lage reden.
Lebensmittel, Preissteigerung
In den ersten Tagen der Mobilmachung schienen die Preise der Lebensmittel allgemein zu steigen, es wurde bekannt, dass man andernorts das Pfund Salz mit 40 Pf bezahlt hatte (was wohl am besten die Verhältnisse selbst der Händler kennzeichnet) hier im Dorfe stieg nur der Preis für Mehl um 2 Pf, der des Zuckers um 1 Pf. Auch Gerstenbrot wurde teurer bezahlt. Man kann nicht sagen, dass irgendwo in Lage Wucher getrieben wurde, das kaufende Publikum selbst trug die Schuld für Preissteigerungen, indem es in ungehöriger Weise Lebensmittel aufstapeln wollte, mancher Artikel war noch einigen Tagen fast ausverkauft. Der Transport neuer Ware war infolge der Inanspruchnahme der Eisenbahn durch die Militärverwaltung schwer, so dass die Händler hier notgedrungen eine kleine Preissteigerung vornehmen mussten. Recht empfindlich war für unsere Bauern, dass kein Vieh mehr abgeliefert werden konnte. Die Kaufleute hier und in Neuenhaus lehnten fast 2 Wochen lang den Empfang von Eiern und Butter ab, jetzt, vom 15. August ab, scheint auch dieser Handel sich wieder zu beleben, was im Interesse unseres Bauernstandes sehr zu wünschen ist.
Bargeld und Banknoten
Recht unangenehm berührte die Scheu (?), Reichsbanknoten in Besitz zu behalten. Am Sonnabend, dem 2. d. Monats und in den folgenden Tagen erlebte Schreiber dieses in einem Geschäfte, dass den ganzen Tag über auch der kleinste Betrag mit Kassenscheinen bezahlt wurde, nur um diese vermeintlich unsicheren Gelder los zu werden. Das Zurückbehalten des Silber- und Goldgeldes führte natürlich zu Unzuträglichkeiten, in dem die Geschäfte bald außerstande waren zu wechseln. Andere verweigerten die Annahme der Banknoten. Durch Reichsverordnungen wurde in diesen Punkten bald Abhilfe geschaffen.
Die ersten Nachrichten über den Sieg bei Metz
Die Grenzkämpfe bei Mühlhausen, bei Stallugönen (?) usw., die Einnahme von Brüssel riefen überall begeistert Anteilnahme hervor, bis dann am Freitag Nachmittag dem 21. die ersten Nachrichten von dem gewaltigen Siege zwischen Metz und den Vogesen in unser Dorf drangen. War das ein Jubel und Rufen auf den Straßen! Am folgenden Vormittag trafen dann nähere Angaben über die Bedeutung des Sieges ein. Die Schulkinder lagen gerade im Gefecht zwischen Lage und Neuenhaus beim „Judenkirchhof“, als ein Radfahrerbote die Extrablätter brachte: Die Verfolgung des Feindes bringt reiche Früchte, über 10.000 Franzosen gefangen, 50 Geschütze erbeutet. Wir quittierten die Nachricht mit brausendem „Hurra!“ Radfahrer holten die Fahnen herbei, die Mädchen schmückten sich mit Blumen, die Knaben mit grünem Maien, und dann zogen wir mit Gesang ins Dorf ein, von dem uns Glockengeläute entgegen tönte. Nachdem wir vor dem Schulhause halt gemacht hatten, sangen wir – mit Dank zu dem Lenker der Schlachten aufblickend – „Wir treten zum Beten vor Gott den Gerechten!“
Der Vormittagsgottesdienst am 23. 8. gestaltete sich zu einer erhebenden Dankesfeier. Stehend sang die ganze Gemeinde „Nun danket alle Gott!“ Strophe 1 – 3. Da sah man auch in den Augen der ernsten, festesten Männer Tränen, Tränen des Dankes und der Rührung. Der Predigt lag der Text aus Ps. 50, Vers 19 – 23 zugrunde.
An dem Sonntag kam auch die Kinde von dem Vordringen des Kronprinzen bei Longwy, und von der Gefangennahme von 8000 Russen. Der Kleinmut, der bei der Bekanntmachung des ... (?) Ultimatums sich gezeigt hatte, war nun zerstoben: „Und ob gleich alle Teufel ---.“ Das Wort war’s, was uns hier in der Schule tröstete, als wir hörten, dass auch das elende gelbe Gesindels – „nach Art des Geiers und Schakals“, wie die Schweden schrieben – über uns herfallen wolle. Unvergesslich soll uns auch der Montag Vormittag bleiben, als morgens um 0 Uhr weitere Siegestelegramme gebracht wurden. Über 150 Geschütze seien allein auf dem linken Flügel – in und bei den Vogesen – erbeutet, im Norden bei Neufchateau in Belgien sei ebenfalls eine französische Armee von Herzog Albrecht v. Württemberg geschlagen, viele Generale gefangen. „Nun lasst die Glocken von Turm zu Turm durchs Land frohlocken im Jubelsturm!“ Und so geschah’s, der Sieg, die Niederlage waren vollständig. Wieder holten die Schulkinder die Fahne hervor, alles sang: „Lieb Vaterland, magst ruhig sein!“ Nach dem Umzug durchs Dorf brachte der Vorsitzendes des Kriegervereins, Herr A. Liese, das Kaiserhoch aus, worauf alle entblösten Häupter die Kaiserhymne sangen. Der Unterricht für die folgende Stunde fiel aus.
Namur – Sieg über die Engländer
Am 27. kam die Nachricht von dem Fall Namurs, am 28. die des herrlichen Sieges über die Engländer bei S. Quentin. Wem leuchtete bei dieser Kunde nicht die Freude aus den Augen. Bis in jedes Dorf hinein ist die Verachtung unseres ränkevollen falschen Vetters gedrungen.
Im Osten
Die Nachrichten aus dem Osten lauten weniger günstig. Unser Grenzschutz hatte sich – wenn auch nach glücklichen Gefechten – zurückziehen müssen und ostpreußische Bewohner sind nach Berlin geflüchtet. Bei Allenstein und Insterburg rückte die russische Übermacht vor. Nachdem ein Privatbrief von Herrn A. Liese uns davon in Kenntnis gesetzt hatte, berief Herr Vorsteher v. d. Kamp eine Versammlung ein, die hier in der Schule tagte, um auf Vorschlag des Königlichen Landratsamtes einigen Familien in unserem Dorfe Zuflucht zu gewähren. Man beschloss somit vom 29. 8., 3 Familien, ca. 15 – 18 Personen hier unterzubringen. Zur Aufnahme derselben waren Meldungen genügend vorhanden. Hoffentlich folgen die anderen Bauernschaften unserem Beispiele. Noch größer jedoch ist der Wunsch, dass Ostpreußen frei und keine Flucht unserer Volksgenossen mehr nötig ist.
Sieg über die Russen
In der Hoffnung wurden wir noch am selben Vormittag sehr bestärkt. Ein Extrablatt meldete uns, dass die Russen zwischen Gilgenburg und Ortelsburg vollständig geschlagen sei, dass war eine wunderbare Waffentat des Generals v. Hindenburg! Er ist der Befreier Ostpreußens geworden. Vergessen wir aber auch nicht die vierte Burg: „Eine feste Burg ist unser Gott.“ Ihm sei die Ehre!
War das ein Jubel nach der Sitzung, in der die Gemüter mittags nun gerade nicht hoffnungsfroh gestimmt wurden. Wieder erklangen die Glocken, überall horchte der Landmann auf und Boten kamen von allen Seiten herbei. Schreiber dieser sah seine Schüler aus Brecklenkamp vorbeilaufen, als er gerade bei der Marschbrücke auf Posten stand. Mit J. van den Bosch und H. van der Kamp pflanzte ich dann die große Dorffahne beim Denkmal auf; erst die Franzosen, dann die Engländer, nun die Russen! Deren Niederlage war eine vollständige, erst hieß es: 30.000 Gefangene, dann 60.000, dann 90.000, ja 92.000 sind es, über 400 Geschütze.
Kämpfe der Österreicher: Krasnik – Lemberg
Die Kämpfe um Lemberg machen und hier viele Sorgen. Den heldenmütig kämpfenden Österreichern will es bis jetzt (12.9.) nicht gelingen, die gewaltige Übermacht der Russen zu schlagen.
Sieg in Ostpreußen
In Ostpreußen sind sie um den 11. herum abermals durch v. Hindenburg glänzend besiegt. Während die Kämpfe um Lemberg zum Stillstand gekommen sind, halten sie östlich und südöstlich von Jen... (?) an.
Die Riesenkämpfe (?) an der Marne
Nach holländischen Nachrichten macht unser Feind Fortschritte, nach einer Bekanntmachung des Generalquartiermeisters v. Stein steht die Schlacht für uns günstig. Wir haben keine Veranlassung, Zweifel in diese Worte zu setzen und erwarten vertrauensvoll das Ende dieser Riesenkämpfe (?) an der Marne. Es ist kein Wunder, dass hier Harren und Bangen die Herzen in furchtbarer Spannung hält. Dies sieht man deutlich auf allen Gesichtern der denkenden Menschen. Die große Schlacht wird für den Feldzug in Frankreich entscheidend sein.
Einquartierung in Lage
Am 11. 9. kam eine Landsturmkompanie nach der Niedergrafschaft. Sie war vom Landsturmbataillon Lingen aus Osnabrück. Sie verteilte sich auf Nordhorn, Neuenhaus, Uelsen, Emlichheim und Lage. Nachmittags rückten 18 Mann in unser Dorf ein, ältere, bärtige Leute in blauer Litevka, mit Rucksack und hohen Tschako vom Jahre 1813. Diese sollten hier an der Grenze die Posten und Patrouillen übernehmen, errichteten bei Lavarre die Wachstube und quartierten sich bei den Bürgern ein. Aber schon am 12. 9. kam der Befehl, am folgenden Tage wieder abzurücken, was allgemeines Befremden erregte. Für unsere Dorfbewohner war die Einquartierung eine interessante Abwechslung. Die Mannschaften sind über Lingen nach ... abgerückt. Ein Wachtkommando von ca. 40 Soldaten blieb jedoch in Neuenhaus, das seine Patrouillen bis über Lage hinausschickt.
Kirchenvisitation
Am 13./14. 9. fand in Lage eine Kirchenvisitation statt. Nachdem am Sonntag die kirchlichen Verhältnisse geprüft waren, erschienen am Montag Mittag die Herren Konsistorialrat Nyhuis, Pastor Bode, Hochehrwürden und Synodale Liese aus Neuenhaus, wie auch der Ortsschulinspektor, Herr Pastor Busse hier in der Schule, um den Religionsunterricht und seine Erfolge zu prüfen.
Unabkömmlichkeit des Lehrers
Dem Schreiber dieses, dem Lehrer Sager ist unter dem 15. August die Nachricht zuteil geworden, dass er für den Kriegsdienst unabkömmlich bleibt, sein Gesuch also abschlägig beschieden sei.
Fürsorge für die Feldzugsteilnehmer
Bis zu den Ferien waren von den 17 Schulmädchen der Ober- und Mittelstufe 33 Paar Socken und 27 Paar Pulswärmer gestrickt, die dem hiesigen Frauenverein abgeliefert sind. Dieser hat bereits eine große Sendung Hemden, Laken, Strümpfe an die Abgabestelle in Nordhorn abgeführt. Am Donnerstag, dem 17. 9. ging an jeden im Felde stehenden Angehörigen per Post ein Paar Socken und 1 Tafel Schokolade. Möge diese kleine Gabe ihnen allzeit die Gewissheit geben, dass man ihrer in der Heimat liebend und betend gedenkt!
Tod des Lehrers H. Niederhellmann, gefallen in Frankreich
Am 11. 9. 14 starb den Heldentod fürs Vaterland der Lehrer Heinrich Niederhellmann, der vom 20. 1. – 1. 5. 1913 vertretungsweise in Lage angestellt war. In Frankreichs Erde liegt der Brave gebettet. Er ruhe sanft!
Lebensmittel
3. November 1914: Allmählich sind die Lebensmittelpreise doch bedeutend gestiegen. Petroleum war hier in den letzten Tagen nicht mehr zu haben, und so brannten allerorten nur noch ein spärliches Lichtchen wie zu Zeiten des Kienspans und des Tranlämpchens. Es kostet jetzt ½ kg: Zucker 0,25 M, Weizenmehl 0,25 M, Grützenmehl 0,23 M, Tee 3,00 – 3,50 M, Kaffee noch alter Preis steigt auf 2 M, Erbsen noch 0,30 M, werden gewaltig steigen, Seife 0,22 M, Öl 1 l 1 M, in Sago, Pflaumen, Korinthen, Graupen stockt der Handel, 1 Sack Leinmehl kommt jetzt in der Zukunft auf 15 M.
Unterricht zur Kriegszeit
Der Unterricht in sämtlichen Fächern suchte mit den Ereignissen der Zeit in steter Fühlung zu bleiben. In der Geographie kamen die in Frage stehenden Länder und Staaten zur Behandlung, in der biblischen Geschichte und im deutschen Geschichtsunterricht gab es mancherlei Anknüpfungspunkte, (z. B. Vergleich des dreißigjährigen Krieges mit dem jetzigen.) Der Deutsch- und der Gesangsunterricht standen ebenfalls unter dem Eindruck der Geschehnisse. Selbst der Rechenunterricht nahm hinsichtlich der Zahlen und Benennungen bezug auf Heer- und Marineverhältnisse.
Dienstpflicht des Lehrers
Am Donnerstag, dem 19. 11. bekam ich, der Lehrer L. Sager, die Nachricht, dass ich mich am 23. d. M. in Lingen zu stellen habe. Ich kam zum Ersatzbataillon des Reserve Infanterie Regiments 73, Hannover, war mit diesem vom 10. 2. bis 1. 3. in Munsterlager, wurde am 10. 4. 15 zum Füsilier Regiment 73 versetzt, konnte aber wegen innerer Verwachsung infolge einer alten Bauchoperation, die bei schwerem Tragen und gleichzeitiger körperlicher Anstrengung sehr zur Entzündung neigte, den Dienst nicht machen und wurde deshalb meinem Gesuche, mich nach der Schule zu entlassen, Folge geleistet. So trat ich am 18. 5. 15 wieder mein Amt an, was unter diesen Umständen das Bessere war.
Vertretungsunterricht
In der zeit meiner Abwesenheit gaben Herr Tibbe aus Neuenhaus und Herr Arends – Halle hierselbst Vertretungsunterricht, letzterer wurde jedoch im Laufe des März ebenfalls einberufen, so dass Herr Tibbe allein den Unterricht übernehmen musste. Es wurden durchschnittlich 18 Stunden wöchentlich erteilt, der Sonnabend war schulfrei, die Unterstufe hatte im Laufe des Winters nur 6, später 10 Schulstunden.
Nach Rückkehr des Lehrers Sager beschloss der Schulvorstand, Herrn Tibbe als Anerkennung für die geleistete Arbeit eine goldene Uhr zu überreichen; der Herr Vorsitzende drückte Herrn Tibbe gleichzeitig den Dank der Schulgemeinde aus, worauf auch Herr Tibbe dem Schulvorstand für das dargebrachte Geschenk seinen Dank aussprechen ließ.
Einquartierung und Grenzbewachung
Da unser Dorf in der Nähe der Grenze liegt, hat es im Laufe des Winters 1914/15 stets Einquartierung von Landstürmern gehabt, meistens sind hier 6 – 8 Soldaten anwesend, die von Lavarre aus abwechselnd Patrouillengänge nach der Grenze machen. Verdächtige Personen müssen sich stets ausweisen, in Halle, Engden, Holt & Haar, Wengsel, Brecklenkamp hat man schon häufiger entsprungene Gefangene aufgegriffen, namentlich haben die Posten auch den außergesetzlichen Lieferverkehr mit Holland zu verhindern. Aus dem Grenzbezirk im Bereich des X. Armeekorps dürfen nämlich nur offene Postsendungen, namentlich offene Briefe, verschickt werden. Die Prüfungsstelle für diese ist in Bentheim.
Unterbrochene Handelsbeziehungen nach Holland
Im April wurden in Brecklenkamp 8 Landstürmer einquartiert. Aber auch jenseits der Grenze ist man wohl auch auf dem Posten, denn die Einfuhr von Nahrungsmitteln nach dem Auslande ist von der holländischen Regierung stark unterbunden. Mehl, Brot, Fleisch, Hülsenfrüchte können die Grenzbewohner nicht mehr von Holland beziehen, die Überwachung ist streng. Nur dem ... (?) gelingt es zuweilen, dem holländischen Militär ein Schnäppchen zu schlagen. Am stärksten macht sich somit der Mangel an Futtermitteln bemerkbar, die Pferde bekommen keinen oder nur geringe Mengen Hafer, sie mussten sich meist mit Heu begnügen, viel besser waren auch nicht die Kühe dran, denn Lein- und Baumwollsaatmehl sind schlecht und teuer, die Schweine entbehren die Mehlzugabe und werden schlank wie Hunde, sie sind zu Millionen abgeschlachtet, die Hühner erhalten kein Korn mehr, Mais ist unerschwinglich teuer, somit sind die Eier selten und dieses Jahr sehr teuer. Dass die Übertretung solcher Verordnungen oft Bestrafungen zur Folge hat, liegt auf der Hand, Bewohner von Lage sind aber bisher nicht bestraft.
Pferdeschmuggel von Holland
Im letzten Herbst war der Pferdeschmuggel von Holland stark, man hat auch in Lage manchen stattlichen Gaul, den man nachts über die Grenze geholt hatte. Jetzt aber hat die holländische Regierung die schwersten Bestimmungen getroffen, um die Gäule im Lande zu behalten. Ein Nordhorner Händler wusste sich zu helfen und holte dem Colon Bergmann aus dem benachbarten holländisch Brecklenkamp die Pferde nachts aus dem Stalle, legte etwa 600 M Anzahlung in die Pferdekrippe und entschwand. Nach 2 Tagen wurden die Pferde in Schüttorf wieder aufgegriffen und dem rechtmäßigen Besitzer zugeführt. – Minder wertvolle Pferde wurden jetzt zu 800 – 1200 M verkauft, ein Lager Bürger hat an manchem holländischen Pferde 2 – 400 M verdient.
Preise der Lebensmittel 2. 6. 15
1 Zentner Kartoffeln: 7 – 8 M (sinken darauf)
1 Pfund Weizenmehl: 50 Pf.
1 Pfund Grützmehl: 55 Pf
1 Pfund Zucker: 30 Pf.
1 Pfund Reis: 50 – 60 Pf.
1 Pfund Brot: 15 Pf., Eier st. 8 ½ Pf., am 20.6. 11 Pf.
1 Pfund Rindfleisch: 1,20 M, Hammelfleisch: 1 M
1 Pfund Speck: 1,60 M, Butter: 1,25 M.
1 l Öl: 1,60 M, 1 Zentner Mais 40 M.
1 l Petroleum: 0,50 M (sehr wenig zu haben)
Landwirtschaftlicher Verbau, Trockenheit und Frostschaden
Im Mai war der Saatenstand sowie der Stand der Gemüse durchaus günstig, das Obst hatte eine gute Blütezeit, der Roggen hat, ohne vom Frost gelitten zu haben, angesetzt, Kartoffeln und Bohnen berechtigten zu den schönsten Hoffnungen. Dann aber setzte eine Trockenperiode ein, die nur am 11. und 12. Juni durch geringe Schauer unterbrochen wurde. Der Boden ist flugsandig geworden, Futterrüben und Kartoffeln bedürfen dringend Niederschläge, die Heuernte beginnt bei günstigem Wetter, obwohl die Grasnarbe der Dürre ausgesetzt wird und gelbliche Färbung annimmt. Dazu kommt, dass die sonnenwarmen Tage stets frostig-kalten, sternklaren Nächten weichen. Namentlich am 18. 6. und 19. 6. setzten verheerende Nachtfröste ein, die Kartoffeln haben sehr gelitten, mancherorts liegen Blätter und Stängel dürr und welk am Boden, auch über die Bohnen streifte des Frostes kalte Todeshand. Buchweizen, der hier aber wenig verbaut wird, liegt schwarz am Boden. Nach schlimmere Nachrichten trafen von umliegenden Ortschaften ein, von Getelo, Itterbeck, Wilsum und Georgsdorf. Alles in allem: ein harter Schlag in dieser Zeit!
Italiens Verrat
Am 4. Juni gesellte sich noch ein weiterer Feind zu unseren Gegnern: Italien. Nachdem der schwankende König das Entlassungsgesuch Salandras und Sonninos abgeschlagen hatte, war von ihm die letzte Brücke abgebrochen, die ihn noch im letzten Augenblicke auf die Bahn von Treu und Ehre hätte retten können. Aber die Treue war dem Welschen zu oft ein „leerer Wahn“. Am Pfingstsonntag wurde die Nachricht hier bekannt, sie kam aus nicht unerwartet, sie wurde mit großer Ruhe und noch größerer Entrüstung aufgenommen. Untreue wird ihren eigenen Herrn schlagen, Italien den Lohn des Verräters empfangen. Unser Glaube darf nicht wanken: „... was er sich vorgenommen und war er haben will, das muss doch endlich kommen zu seinem Zweck und Ziel!“ (Anmerkung: Entnommen aus der 5. Strophe des Kirchenliedes von Paul Gerhardt „Befiehl du deine Wege“) An dessen Ratschluss wird das beutegierige, seine Ehre verkaufende Italien nichts ändern. – Wochenlang versuchte das italienische Heer vom Isonzu vorzudringen. Es überschritt die Grenze, bauschte kleine Grenzgefechte zu großen Erfolgen aus und holte sich bei jedem ernsten offensiven Vorgehen Schlappe auf Schlappe, während die österreichische Flotte erfolgreich in Tätigkeit trat.
Wiedergewinnung Lembergs
Frohe Kunde kam im Laufe des Juni aus Galizien: unsere und unserer Verbündeten braven Truppen sind hier im steten Fortschreiten, am 22. kam die Meldung, dass Lemberg wieder in den Händen der verbündeten Heere ist. Am Abend gegen 9 Uhr hörte man von Nordhorn, Veldhausen und Neuenhaus Böllerschüsse, dann sogar Festgeläute den stillen Sommerabend durchdringen. Alles horchte auf, alt und jung trat auf die Straße: „Was ist’s?“ Augenblicke hoher Spannung, bis mittels Fernsprecher von Neuenhaus die Nachricht von Lembergs siegreicher Einnahme einlief. Nun stimmten auch unsere Glocken in das abendliche Konzert mit ein, das hier in die entlegenste Hütte den großen Sieg verkündete.
Am anderen morgen nahm der Lehrer Gelegenheit, seinen Schülern die Bedeutung dieses Sieges klar zu legen: der Sieg des Deutschtums überdas Slaventum, ein reiches großes Land den Russen entrissen. Mit dem Gesang: „O Deutschland hoch in Ehren“ wurde die kurze eindruckvolle Feier geschlossen und wurden die Kinder entlassen – die um 9 Uhr erschienene Unterstufe wurde die Auswahl des Chorals zur Morgenandacht freigestellt: „ Herr Lehrer, Deutschland, Deutschland über alles!“ Mit den Kindern der Unterstufe spazierte darauf der Lehrer nach der Ruine, um ihnen hier Spuren des Krieges anschaulich zu erläutern. Spiel, Gesang und ein feierlicher Umzug hielten die kleine Schar noch lange zusammen.
Heuernte
Die Heuernte war mittelmäßig, zum Teil besser, doch konnte es bei dem warmen Wetter ohne große arbeit in kurzer Zeit eingefahren werden. Alle Hände halfen. IN der Woche vom 21. – 26. 6. war die Oberstufe schon um 9 Uhr frei, um bei dem Einholen des Heues behilflich sein zu können.
Sommerferien und Roggenernte
Die Sommerferien begannen am 17. Juli und endeten mit dem 8. August. Der Roggen war reif und trug reichliche Frucht. Alle halfen ihn bergen, die Frau, deren Gatte im Felde war, brauchte sich nicht zu bangen: auch ihr entstanden in Nachbarn und Freunden Helfer, die gern zufassten. Die in Garnisonen unter der Fahne standen, bekamen zum Teil Ernteurlaub, ja, mancher kam direkt aus dem Schützengraben. Das war stets eine Freude für die Dorfbewohner, genannt seien von letzteren: Johann van den Bosch, Georg van den Bosch, Hermann (verwundet) und Jan Vos (verwundet), Hermann Gülink, Hermann Buitkamp und Georg Liese. Besonders wurde die Ankunft des letzt Genannten am 10. 8. freudig begrüßt, hatte er doch von Anfang an die schwersten Kämpfe mitgemacht, (Inf. Reg. 92) ohne im Geringsten krank gewesen oder verwundet worden zu sein.
13. 8. Seit fast 5 Wochen ist die Witterung sehr feucht, doch konnte der Roggen in den trockenen Zwischentagen ohne zu leiden eingeholt werden. Die Feldfrüchte, Kohl, Rüben und Wurzeln standen gut.
Ereignisse im Osten
IM Osten nehmen die Ereignisse sehr erfreulichen Fortgang, nachdem Pultusk und Rozan genommen waren, rückten die südlichen Armeen auf Lublin und Cholm vor, erzwangen den Durchbruch und kamen vor die Festung Ivangorod, auch an Warschau schob man sich immer näher heran, und Below hielt seinen Siegeszug durch Kurland, besiegte die 5. russische Armee und besetzte am 2. 8. Mitau. Ausländische Mitteilungen besagten, dass Warschau geräumt wurde. Aber nicht freiwillig gab der Feind die starke Weichsellinie auf: der Weg dorthin ging über Blut und Leichen.
Warschau
Endlich kam am 5. August die erlösende Kunde: Warschau ist in unserer Hand! Es war am Nachmittag, als man in Neuenhaus die Glocken läuten hörte. War’s um Warschau?! Bald brachte der Draht die Antwort auf die frage, alles jubelte, und mit dem Glockengeläut in allen Städten und Dörfern vereinigten sich die Dankgebete des deutschen Volkes.
Gegen Abend kam die Nachricht, dass die Österreicher Ivangorod genommen haben. Diese Siege und Erfolge werden nicht ohne Eindruck bleiben, werden den schweren Russenbär auf die Knie zwingen und auch in politischer Beziehung Klarheit schaffen, einmal muss sich die Lage klären und dann, England, wehe dir! Dann werden unsere U-Boote die Blockade bis zur letzten Konsequenz durchführen, den Amerikaner schreien und den Engländer hungern lassen, bis die stolze Nation im Staube liegt. Sie ist unser Feind, Frankreich war es, Russland wird es sein: Also mögen England und Russland den Schaden tragen, die Strafe zahlen, damit Deutschlands Weg frei wird.
Im Laufe der folgenden Wochen fielen dann Lonza, Ostrolenka, Kowno, Novo-Georgiesk, Olite, Brest-Litowsk, Ossowitz und zuletzt Grodno. Somit nahm das deutsche Heer im Monat August einen Siegeszug, der in der Weltgeschichte seinesgleichen sucht, wenn man die Hindernisse betrachtet, die sich unserem Herr entgegenstellten: einerseits die einen mächtigen natürlichen Schutz bietenden Flussläufe und dann die stattliche Reihe der starken Festungen. Die Siege von Kowno und Brest-Litowsk wurden durch entsprechende Schulfeiern gewürdigt. Mit der Feier der Einnahme von Kowno (am Denkmal) gedachte der Lehrer auch der ehrwürdigen Person unseres greisen Verbündeten, des Kaisers Franz-Joseph von Österreich-Ungarn, der am 18. August sein 85. Lebensjahr vollendete, und ihm zu Ehren sangen die Schulkinder: Gott erhalte Franz den Kaiser.
Einquartierung und Grenzverkehr
Am November 1915 waren hier 32 Landstürmer einquartiert, die dem Grenzschutz dienen. Die Landleute, die Ländereien in Holland liegen haben (bzw. in Deutschland) sind im Besitze von Pässen, die mit ihrer Photographie versehen sind, und die sie berechtigen, auch außerhalb der Zollwege die Grenze zu überschreiten. Für andere Personen ist letzteres streng verboten. Deutsche Gespanne bedürfen jenseits der Grenze morgens und abends der Anmeldung bei den holländischen Behörden; die für Brecklenkamp in Betracht kommende hat ihren Sitz in der holländischen Schule zu holländisch Brecklenkamp.
Sammeln von Eicheln und Bucheckern
Im Herbst 1915 sammelten die Schulkinder fleißig Eicheln und Bucheckern, wofür wir einen Erlös von 37 M erzielten. Wir waren nun in der angenehmen Lage, den Kriegern im Felde kleinere Wünsche zu erfüllen, ihnen Honigstücken, Marmelade oder Zigarren – je nach Wunsch – zu schicken. Die Kinder hatten dazu Begleitschreiben anzufertigen, und groß war die Freude, wenn der Briefbote aus bald darauf täglich den Dank einiger unserer braven Feldgrauen überbrachte.
Vermisste und Verunglückte
Seit Dezember 1914 ist der Dragoner Geert Vos in Frankreich verwundet und vermisst, seit Ende Januar 1915 der Gardist Strootmann, die Nachricht, dass er am 28. 2. gefallen ist, scheint verbürgt zu sein. Johann Horstkamp, Ers. Res., ist angeblich – im Sommer 1915 – in Russland in Gefangenschaft geraten, Nachricht ist bis Ende des Jahres nicht eingelaufen. Ein trauriges Geschick traf den Ulan H. H. Klifmann, der seit 10 Monaten in Hannover in Garnison war. Am Abend während der Stallwache traf ihn der Hufschlag eines störrischen Pferdes, an dessen Folgen er am andern Morgen früh verstarb. Sein Leichnam wurde nach hier übergeführt, ein großes Leichengefolge gab dem im Dorfe überaus geachteten und beliebten „Harm – Hindrik“ Klifmann die letzte Ehre. Möge ihm die Erde leicht sein!
Grenzhandel März 1916
Der Grenzhandel entwickelt sich immer stärker, so dass den günstig gelegenen Bauern ein sehr reicher Verdienst zufließt. Obwohl die Ausfuhr von Lebensmitteln aus Holland verboten ist, verdienen jedenfalls ungezählte Grenzanwohner augenblicklich damit ihren Lebensunterhalt. Ein deutscher Landstürmer, der von Halle aus diesem Gewerbe oblag, wurde dabei von holländischen Beamten angeschossen und ist später in Holland gestorben. Man fürchtet dabei weniger das holländische Militär als die Grenzbeamten. Bedauerlich ist, dass der Kurs des deutschen Geldes so niedrig ist, eine Mark wird jetzt im März nur mit 42 Cent bewertet, was den Handel natürlich ungünstig beeinflusst. Eingeführt wird besonders: Vieh, Schweine, Kühe – die Pferde stehen zu sehr unter Kontrolle; ein Pächter L. verdiente im letzten Herbst an 2 Pferden 2300 M – Mehl, Reis, Öl, Hafer. – Mehl wird für etwa 80 – 85 M pro Zentner, Reis für 65 M geliefert. Der deutsche Bauer fordert von den Händlern dann einen Gewinn von über 20 M für 100 Pfund, so dass dem Kaufmann der Reis auf 85 - 95 M zu stehen kommt. 1 l Rüböl wird für etwa 2,70 M privatim, im Handel für etwa 3 – 3,50 M geliefert. Zugleich sieht man fremde Händler an der Grenze, die einen Handel abzuschließen versuchen, was ihnen nur sehr selten gelingt. Die einheimischen Kaufleute, die Kainit und Thomasmehl – in Holland sehr gegehrte Artikel!!! – liefern, werden bevorzugt. Eine Hand wäscht die andere! Natürlich ist die geheime Ausfuhr der genannten Düngesorten deutscherseits verboten.
Lebensmittelpreise
Kaffeebohnen kosten das Pfund: 3,00 M
Weizenmehl kostet das Pfund 0,85 M
Kartoffeln den Zentner 3,90 M (Höchstpreis)
Butter das Pfund 1,90 M (Höchstpreis festgesetzt)
Zucker das Pfund 0,34 M
1 L. Öl 3,50 M – 3,90 M
Rindfleisch 1,80 M das Pfund. In Speck und Schinken stockt der Handel.
Eier 0,13 M (Im Dezember 0,19 M).
Gekürzter Unterricht
Seit dem 1. 11. 1915 vertritt der Lehrer Sager den eingezogenen Lehrer Christmann aus Grasdorf, so dass die Kinder nur Vormittagsstunden bekommen. Herr Pastor Busse erteilt 5 Std. Religionsunterricht, Sager weitere 17 Stunden. Turnen, Singen, Zeichnen fielen aus.
Auszeichnungen
Mit dem „Eisernen Kreuz“ sind bislang ausgezeichnet: der Gardist Strothmann (gefallen am 28. 2. 1915), der Wehrmann Georg Liese und der Reservist Völlink.
Zeichnungen zur 4. Kriegsanleihe
Soweit öffentlich bekannt, wurden im hiesigen Dorfe etwa 30.000 M auf die 4. Kriegsanleihe gezeichnet. Im Unterricht wurde mehrfach die Gelegenheit wahrgenommen, auf die Bedeutung und Berechnung der Anleihe Bezug zu nehmen; durch Verteilung von Flugblättern wurde auch bei den Eltern der Schüler das Verständnis dafür geweckt, darauf hin zielten auch die persönlichen Bemühungen und Besprechungen des Herrn Ortsvorstehers und des Herrn Ortsgeistlichen in den einzelnen Familien. Nachdem die Zeichnungen der Eltern abgeschlossen waren, zeichneten in deren Namen die Schulkinder noch 3400 M in Raten von 400, 200, 100 und 50 M.
Sammlungen von Papier und Wollgras
An der von der Regierung empfohlenen Sammlung von alten Zeitungen – für Heereszwecke, Decken usw. – beteiligten sich die Schüler recht eifrig, desgleichen wurden auch die weichen Flocken des Wollgrases (Flockenblume) das in Lazaretten verwendet werden soll.
Verwundete und Gefallene
Bei der heftigen Offensive bei Verdun floss auch das Blut mehrerer Krieger, die ehemals die hiesige Schule besuchten. IM März 1916 wurde dort der seit Ausbruch des Krieges mitkämpfende Infanterist Hendrik Völlink schwer verwundet, so dass ihm ein Bein bis zum Knie abgenommen werden musste, im Lazarett zu Magdeburg sieht er seiner Genesung entgegen.
Am 10. Mai kam die traurige Kunde nach Lage, dass Georg Liese, - Vizefeldwebel beim Res. Reg. 92/9 – am 8. des Monats den Heldentod gestorben sei. Unser Dorf war eine Trauergemeinde, ernst blickende Männer und weinende Frauen gaben die erschütternde Nachricht weiter: „Georg Liese ist gefallen.“ Ja, unser treuer Georg Liese, der Stolz unseres Dorfes – „er musste dahin.“ „Das Extrablatt ist heute für Lage zu schwer,“ sagte J. Lavarre, der, von Neuenhaus kommend, um ein solches befragt wurde. Keiner, der nich an G. Liese einen Freund und Bruder verlor, er war der besten einer, geliebt und geehrt von allen, die ihn kannten. Reich hat er unser aller Liebe belohnt, Herrliches hat er für uns, für sein Vaterland geleistet, unermüdlich, nie verzagend, nie krank, nie verwundet, stand er seit den ersten Tagen im Felde, alle Strapazen als Held ertragend. Am 5. Mobilmachungstage wurde er eingezogen, Schreiber dieser Zeilen brachte ihn dann nach Lingen; er machte den Siegeszug mit durch Belgien, bis vor Paris, dann im Winter 1914/15, den Schützengrabenkrieg bei Reims, die Winterschlacht in der Champagne (und später) 1915 die schweren Kämpfe in den Vogesen, wo er auch zum Gefreiten und zum Unteroffizier befördert wurde und sich das „Eiserne Kreuz“ erwarb. Nach einem blutigen Sturm bei Verdun erhielt er kurz vor seinem Tode die Beförderung zum Vizefeldwebel. Als er am Morgen des 8. Mai einer in Stellung liegenden Kompanie mit seinem halben Zuge Proviant mitbringen wollte, kam er mit seinen Leuten in starkes Artilleriefeuer, so dass er, seine Leute zurücklassend, nur von einem Wehrmann begleitet, allein mit diesem das zerschossene Gelände nach dem Verbindungsgraben absuchte. In treuer Pflichterfüllung, sich selbst aufopfernd, traf ihn der Granatensplitter; als sein verwundeter Begleiter aus der Ohnmacht erwachte, war Georg Liese tot, er war dort, wo keine Kanonen mehr donnern und wo ewiger Friede herrscht. Nie wird man in Lage seiner vergessen.
(Anmerkung: Von Juli 1916 bis Dezember 1918 wurde die Schulchronik von Lehrer Auf dem Kamp geführt.)
Schuljahr 1916/17
Herr Lehrer Sager wurde im Juli 1916 zum zweiten mal zum Heeresdienst einberufen. Zu seiner Vertretung wurde der Lehrer Auf dem Kamp aus Bramsche bei Osnabrück für die Dauer des Krieges nach hier versetzt. Dieser trat nach den Sommerferien, am 14. August, seinen Dienst an. Herr Sager wurde in Oldenburg als Kanonier ausgebildet und steht jetzt als Gefreiter bei der Flug-Abwehr-Batterie im Großen Hauptquartier (Stabswache Sr. Majestät des Kaisers).
Auf die 5. Kriegsanleihe wurden von den Kindern der Lager Schule 800 M gezeichnet.
In den Herbstferien fanden 10 Kinder aus Oberhausen bei Lager Bürgern liebevolle Aufnahme. Infolge des Lebensmittelmangels in den Städten, besonders denen der Industriegebiete, hatten diese Kinder die Erholung sehr nötig. Durch die frische Landluft und die kräftige Kost gestärkt, von ihren Wohltätern mit Nahrungsmitteln und Kleidungsstücken reichlich beschenkt und mit dem Versprechen, in kommenden Ferien wiederkommen zu dürfen, zogen die 5 Knaben und 5 Mädchen frohen Mutes wieder ab.
Von November 1916 an musste der Lehrer Auf dem Kamp an zwei Tagen der Woche in der Schule zu Grasdorf unterrichten. An den übrigen vier Tagen der Woche wurde in Lage täglich 6 Stunden unterrichtet.
Der Winter 1916/17 war ein sehr strenger, wurden hier doch an einem Morgen 24° Celsius unter Null gemessen. Die Kälte war in diesem Kriegsjahr umso schlechter zu ertragen, da es in den meisten Häusern durch die allgemeine „Kohlennot“ an Brennmaterial fehlte. Auch die Schule musste deshalb an einigen Tagen ausgesetzt werden.
Wie alljährlich, so wurde auch im Jahre 1916 für die Schulpflichtigen und jüngeren Kinder beider Konfessionen in der Kirche unter Beteiligung der Eltern und Freunde der Jugend eine Weihnachtsfeier abgehalten.
Dem Aufrufe Hindenburgs, Speck und Fett für die Munitionsarbeiter in den Städten abzuliefern, kam man auch in unserer Gemeinde gern nach, und es konnten 150 Pfd., die unentgeltlich gebracht waren, an die Kreisfettstelle in Schüttorf zur Weiterleitung abgesandt werden.
Tagtäglich sah man Fremde die Dorfstraße entlang gehen. Diese – zumeist Frauen aus Dortmund – gingen in die benachbarte Bauernschaft Halle, um bei einigen Grenzbauern Waren, die über die Grenze gekommen waren, gegen schwarzes Geld zu erstehen. Beispielsweise mussten sie bezahlen für 1 Pfd. Speck oder Pflanzenfett 5,50 M,
1 Pfd. Schinken 7,40 M,
! Pfd. Tee oder Kakao 9 bis 10,00 M,
1 Pfd. Schmierseife 2,20 M,
1 Stück Seife – 100 g – 1,50 M
1 Pfd. Kaffeebohnen 4,50 M,
1 l Öl 8,00 M.
Da aber die meisten dieser Waren einmal nicht aus dem Kreise ausgeführt werden durften, zum anderen alle eingeführten Waren an die Zentral-Einkaufs-Gesellschaft (Z.E.G.) geliefert werden mussten, kam es nicht selten vor, dass den glücklichen Käufern, die natürlich ihre teuren Sachen in ihrer Heimat gegen noch höhere Wucherpreise an die bemittelten Kreise weiter veräußerten, bei einer Revision durch die Wachtmeister auf den Landstraßen, in den Zügen oder auf den Bahnhöfen die Waren wieder abgenommen wurden.
Weiter wurde das Straßenbild des Dorfes durch die vielen Feldgrauen belebt. Da unsere Reichsleitung bei der Bekanntgabe des uneingeschränkten U-Bootkrieges damit rechnen musste, dass sich zu unseren zehn Feinden noch weitere gesellen könnten, wurden früh genug Vorkehrungen zum Schutze unserer Grenze gegen unsere westlichen Nachbarn getroffen. Und so sah man kleinere Gruppen Pioniere mit Schüppen, Wagen mit Stacheldraht und Stempelholz das Dorf passieren. In der Bauernschaft Halle wurden Schützengräben und Drahtverhaue angelegt. Dann statteten Offiziere zu Pferde und Mannschaften der in Neuenhaus untergebrachten Minenwerferkompanie, des Trains und der Brückenbaupioniere oft dem schönen Lage einen Besuch ab. Auch kamen die Trainkolonnen auf ihren Übungsfahrten mehrere Male durch Lage.
Die Ernte des Jahre 1916 war unter dem Durchschnitt geblieben, besonders an Kartoffeln. Daran mangelte es in den Städten sehr. Die Kartoffelbestände der Landwirte wurden daher wiederholt aufgenommen und nachgeprüft. Da aber die mengen, die in die Städte abgeführt wurden, nicht genügten, um die städtische Bevölkerung zu ernähren, mussten zu gleichem Zwecke auch Steckrüben abgeliefert werden. Bis zum heutigen Tage (4.3.17) sind aus der Gemeinde Lage 1300 Zentner Kartoffeln und 150 Zentner Steckrüben abgeliefert.
Desgleichen hatten die Bauern Butter abzugeben. In jeder Woche wurde sie bei einem der Geschäftsleute des Dorfes gesammelt und von dem Gemeindediener Segger nach der Molkerei Veldhausen gebracht, von wo derselbe die Butter für die Versorgungsberechtigten – 65 g à Person wöchentlich – mitbrachten. Die Selbstversorger konnten von der erzeugten Buttermenge die ihnen zustehende zurückbehalten. Durchschnittlich wurden wöchentlich 80 Pfd. Butter abgeliefert.
Im Schuljahr 1916/17 besuchten 31 Knaben und 36 Mädchen die hiesige Volksschule. Ostern wurden nach Erledigung ihrer Schulpflicht 8 Kinder entlassen; 3 katholische Kinder, die 2 Jahre die hiesige evangelische Schule besucht hatten, wurden nach der kath. Schule in Neuenhaus entlassen; die Holländerin Johanna Leusmann verließ die Schule, weil sie noch einige Zeit eine holländische Schule besuchen wollte, auch hatte sie in letzter Zeit viele Schwierigkeiten bei der Erlangung eines Passes, der sie berechtigte, die Grenze täglich zu überschreiten.
Schuljahr 1917/18
Im Schuljahr 1917/18 besuchten 68 Kinder, 35 Knaben und 33 Mädchen, die hiesige Schule; darunter befanden sich 2 katholische Kinder und 3 Ferienkinder aus Oberhausen. Ostern wurden nach Erledigung ihrer Schulpflicht 2 Knaben und 3 Mädchen entlassen.
An der 6. Kriegsanleihe beteiligten sich die Kinder mit einer Zeichnungssumme von 2100 M, an der 7. mit 2400 M. – Wiederum stellten die Kinder ihren Sammeleifer in den Dienst des Vaterlandes; es wurden gesammelt: Brennnesseln, Brombeerblätter, Eicheln, Altmetalle und Knochen. Bislang wurde bei der Ablieferung dieser jetzt so wertvollen Gegenstände ein Erlös von 65 M erzielt. Dieses Geld schenkten die Kinder dem Fonds zum Besten der Kriegswaisen.
In der Zeit von Ostern bis Herbst fanden 26 Oberhausener Kinder in Lager Familien liebevolle Aufnahme. Einige blieben den ganzen Winter über hier.
Am 17. 8. fand eine außerordentliche Revision der Schule durch Herrn Oberregierungsrat Gärtner, Herrn Schulrat Oppen und Herrn Ortsschulinspektor Pastor Busse statt. Die Kgl. Regierung plante nämlich, Herrn Pastor Busse mit der Führung der Geschäfte der Kreisschulinspektion für die Niedergrafschaft zu beauftragen. Und so wurde es. Am 1. 10. trat Herr Pastor Busse sein neues Amt an.
Meine Vertretung in der Schule zu Grasdorf fand nach Rückkehr des Lehrers Christmann vom Militärdienst zu Pfingsten ihr Ende. Von da an hatte die hiesige Schule wieder vollen Unterricht.
Am 23. 10. fiel der Unterricht aus, an seine Stelle trat die Feier des 70. Geburtstages unseres großen Hindenburg. – Am Donnerstag vor Weihnachten feierte unsere Jugend wieder in der Kirche des Christfest. Einige Damen und jüngere Mädchen trugen zusammen mit den Sängern der Ober- und Mittelstufe dreistimmige Weihnachtslieder vor.
Dieser Winter brachte uns starken Schneefall (30 – 40 cm). Da es windstill war, blieb die weiße Decke auf Bäumen und Drähten liegen, und viele von ihnen brachen unter ihrer Schwere zusammen. Der Schnee schmolz bald wieder, und es entstand allerorts bedeutendes Hochwasser. Die Neustadt und Brecklenkamp waren von Lage vollständig abgeschnitten. Die Schulkinder von dort mussten längere Zeit zu Hause bleiben. Die Grenzwache wurde auf einem Wagen über den Marsch durch die Fluten nach hier gefahren. Die Soldaten standen von der Dinkelbrücke bei Bosmann an der Straße entlang bis zur Grenze Posten. In der Lavarreschen Wirtschaft wurde ein Wachlokal eingerichtet. Hernach trat noch einmal Hochwasser mit denselben Folgen ein.
Durch den Krieg stieg im verflossenen Jahre die Knappheit an allen Gegenständen so, dass man sagen kann, es gab nicht mehr in dem erforderlichen Maße, an allen Sachen war Mangel, an Nahrungsmitteln, Kleidungsstücken, Haus- und Ackergerät, Licht, Feuerung, und was es auch sein mag. Hier auf dem Lande werkten die Leute nicht viel davon; sie aßen noch fast so wie in Friedenszeiten und konnten bedeutend mehr Geld erübrigen. Am schwierigsten war den Leuten die Beschaffung der nötigen Kleidungsstücke für die Kinder. Auch durch die Kohlennot wurden die Leute dieser Gegend nicht so sehr betrübt, da es Holz genug gab. Leider musste mancher Baum jetzt sein Leben früher lassen, als es sonst nötig gewesen wäre, um als Brennholz oder Holzschuh dem Menschen nützlich zu werden. Unserer Schule waren im herbst Braun- und Schlammkohle geliefert worden. Die Menge entsprach der aus Friedenszeit, nur nicht die Güte. So kam es, dass 8 Tage nach den Weihnachtsferien der Vorrat verbraucht war. Da sogleich keine Kohlen zu beschaffen waren, musste der Unterricht 2 Wochen lang ausgesetzt werden. In diesem Winter hat auch mancher Frühaufsteher Stunden in seinem Bett durchwachen müssen, weil er kein Licht anzünden konnte. Das Petroleum, das den einzelnen Gemeinden zugeteilt war, wurde von den Vorstehern ganz genau auf die einzelnen Familien verteilt, so dass auf jeden Haushalt durchschnittlich monatlich 1 l entfielen. Viel Neues lernten die Leute kennen, wie sie ebenfalls längst begrabene Gewohnheiten wieder aus ihrem Winkel hervorholten. Neben die Petroleumslampe gesellte sich in fast allen Häusern die Karbidlampe, um ihre versagende Schwester an einigen Abenden abzulösen. War so ein bescheidenes Blechgefäß für 8 – 15 M erstanden, so wurde es nach genauester Untersuchung der inneren Teile durch seine Ungleichmäßigkeiten und Launen den Kleinen häufig ein Spaßvogel, den Großen wiederholt ein Ärgernis. – Jeder Artikel, und war es auch nur Salz, Essig, ¼ Pfund Graupen, war sehr begehrt. Um 1 Pfd. Kunsthonig machte mancher gern den Weg nach Neuenhaus. - Mit dem geringen Angebot käuflicher Sachen stieg natürlich ihr Preis. Es wurde bezahlt für (die Zahlen in Klammern geben die Preise vor dem Kriege an):
1 Paar Holzschuhe 4,20 M (1,20 M), 1 Schulheft 0,25 M (0,10 M), 1 Schachtel Streichhölzer 0,10 M (0,03 M), 1 Pfd. Butter (Schleichhandel) 8,00M (1,20 M), 1 Pfd. Moorrübensamen 50,00 M (3,30 M), 1 Pferd 4500 M (700 M), 1 Kuh 1400 M (450 M), 1 Pfd. Tee 40 M (2,50 M), 1 l Öl 18,00 M (0,80 M), 1 Pfd. Bohnen 4,50 M (0,20 M).
Um die Bauern, die in Holland Roggen anbauten, zu veranlassen, diesen über die Grenze zu bringen, bezahlte die amtliche Einkaufsgesellschaft für 1 Pfd. Holländischen Roggen 0,50 M (0,08 M). Dieses ungeheure Geld lockte die Bauern sehr und verführte sie dazu, viel einheimischen Roggen für holländischen auszugeben und teuer an die Aufkäufer abzusetzen. – Für die Schmuggelwaren stiegen die Preise noch weiter. Beispielsweise wurde für 1 Pfd. dünnen, stark durchfeuchteten Speck nicht mehr als 9 M – 10,50 M (vor dem Kriege 0,80 M) bezahlt. Wie teuer musste dieser Speck erst im Lande bei dem Verbraucher sein! Aber die, welche ihn kauften, konnten und wollten gern noch mehr geben. Und die anderen? Wo ist der Opfermut, der Duldersinn, das Gemeinsamkeitsgefühl aus den ersten Kriegstagen geblieben!? Weil die Lebensmittelvorräte Hollands auch stark zusammenschrumpften, kamen Tee, Kakao, Kaffee, Käse, Seife usw. fast gar nicht mehr über die Grenze. Diese hohen Preise waren nun nicht nur neben den Selbstkosten Verdienst der Schmuggler; sie ergaben sich zu einem großen Teil aus der geringen Bewertung unseres Geldes. Es stand im vorigen Sommer am niedrigsten, für 1 M zahlte man statt 60 Cent nur 30.
Nebenbei ist zu bemerken, dass man das Freundschafts- oder Feindschaftsgefühl der Holländer zu uns am besten draus erkennen kann, dass unsere Nachbarn in dem Falle, dass ihre Zeitungen deutsche Schlappen – draußen oder drinnen – zu berichten wussten, den Deutsche gegenüber, denen Pässe das Überschreiten der Grenze gestattet hatten, sich über alles genau unterrichtet zeigten, die Angelegenheit nicht genügend mit einem leise unterdrückten Freudenton besprechen konnten; in dem Falle aber, dass wir große Erfolge an den Fronten, auf oder unter dem Wasser, in der Luft, in der Heimat auf das Ruhmesblatt unserer Geschichte schreiben konnten, michts wussten, jeder Unterhaltung darüber auswichen und mit einem Achselzucken oder einer verbissenen Miene den lästigen „Schwätzer“ loszuwerden versuchten.
Zur Sicherung unseres Landes wurden die an der Straße nach Holland beim ehemaligen „Kattenberge“ schon im vorrigen Jahr im Bau befindlichen Schützengräben und Drahtverhaue weiter ausgebaut, so dass wir dort jetzt eine ziemlich starke Feldbefestigung mit Unterständen und spanischen Reitern zum Versperren der Straßen haben. – Über das Gebiet zwischen der Reichsgrenze und dem Laufe der Ems wurde eine ständige Personenkontrolle verhängt. In dieser Zone durften sich nur Personen, die im Besitze eines vorschriftsmäßigen Ausweises waren, aufhalten. Auf allen Bahnhöfen wurden diese Pässe von den Mannschaften der Landsturmbataillone nachgesehen, ebenso in der Postenkette an der Grenze.
Hierdurch sollte die noch viel betriebene Spionage nach Möglichkeit unterdrückt werden. Für die Schulkinder hatte der Lehrer diese Ausweise auszustellen. Weil die Pässe der Erwachsenen mit einer Photographie der zu jedem Ausweise gehörenden Person versehen sein mussten, viele – besonders die alten – ihr eigenes Ich noch nie auf einem Stück Papier gesehen hatten, so wanderten Photographen (Soldaten) von Dorf zu Dorf, um die gesamte Einwohnerschaft gruppenweise aufzunehmen.
Jetzt muss ich noch der kleinsten Glocke unserer Kirche gedenken, die mit vielen ihresgleichen aus allen Gauen des Vaterlandes von dem luftigen Platz oben im Turmgebälk hat herunter steigen müssen, um, zu Tod bringender Munition umgewandelt, draußen an der Front ihre eherne Stimme im Kanonengebrüll strafend ertönen zu lassen.
Um den Rüstungsarbeitern in den Fabriken der Städte die Kraft und den Mut zum Durchhalten zu erhalten, wurden aus Lage abgeliefert: Roggen 900 Zentner, Kartoffeln 1000 Zentner, Speck 318 Pfund.
Nachdem die Winterschlachtungen stattgefunden hatten, waren die meisten Plätze in den Ställen leer. Vierteljährlich fanden Viehzählungen statt, bei denen deutlich wahrzunehmen war, dass sich der Viehbestand von einem zum anderen Male verringerte.
Durch den Krieg sind die Arbeiten aller Behörden, besonders auch der Gemeindeverwaltungen, gewachsen. Der Gemeindevorsteher konnte die laufenden Geschäfte allein nicht erledigen. Herr Griep (Beigeordneter) verrichtete die Arbeiten der Unterbringung der Landstürmer, weiter derjenigen, die durch die Kriegswirtschaftlichen Maßnahmen der Behörden (Zählungen, Bestandserhebungen, Ablieferungen usw.) entstanden. Herr Kaufmann Johann Bosmann (Zusatz: gest. April 1921) hatte die Verteilung der Lebensmittelkarten, die Führung des Listenwesens und des riesig gesteigerten Schreibwerks der Gemeinde (Berichte, Meldungen, Erhebungen usw.) übernommen. Allen dreien gebührt Ehre und Dank für ihre gewissenhafte Arbeit im Dienste des Vaterlandes. Sie leisteten mehr, als hier mit ein paar Worten gesagt werden kann, wenn ihre Kräfte auch nur kleine Zähne im Getriebe der großen Kriegsmaschine waren.
(Anmerkung: Von nun an wird die Schulchronik wieder von Herrn Sager geführt.)
Der Ausbruch der Revolution und der Abschluss des Waffenstillstandes brachten die deutschen Streiter in die Heimat zurück, von recht gemischten Gefühlen war der einzelne wie die Allgemeinheit erfüllt: Freude des Wiedersehens, des Wiederhabens und tiefe nationale Trauer über Deutschlands Unglück. Unbesiegt, sind wir nun der Rache des Feindes preisgegeben.
Heimkehr der Krieger
Bange Sorge brachte über die Angehörigen der Oktober, Aufruhr, Empörung, Bürgerkrieg (Bolschewismus) verlegten unseren zurückkehrenden Truppen vielfach den Weg. Erst im Januar bzw. Februar kamen von dort die letzten Lager Krieger zurück. Wehrmann G. Völkers, Reservist Jan Albert Moomann und Zollaufseher Bötteker. Lehrer Sager, von Belgien kommend, wurde in Neuß am 14. 11. von seiner Truppe entlassen, am 8. 12. 18 trat er sein Amt wieder an, sein Vertreter, Herr Auf der Kamp, wurde nach Bramsche zurückversetzt. Die Gemeinde schuldet ihm Dank und Anerkennung.
Kohlenmangel
Der Kohlenmangel macht sich immer fühlbarer, für die Schule fehlte Mitte November und dann von Mitte Dezember ab das Brennmaterial. Anfang Januar kamen dann Torf und Kohlen, letztere waren nicht von bester Güte. Es fällt schwer, das große, hohe Schulzimmer mit den mächtigen Fenstern genügend zu erwärmen; an den kältesten Tagen war der Lehrer mehrfach gezwungen, die Kinder frühzeitiger als sonst zu entlassen, weil keine höhere Temperatur als 3 ° zu erzielen war.
Als ein Kind der Revolution trat hier am 12. Dezember ein Bauernrat ins Leben, Halle, Hardingen und Brecklenkamp schlossen sich dem an. Er hält es für seine Aufgabe, für Ruhe und Ordnung zu sorgen, bei Ablieferungen landwirtschaftlicher Produkte die Regierung zu unterstützen und die landwirtschaftlichen Interessen zu vertreten. Die Herren Harsmölle, G. Vos, Strootmann, Even, D. Döppen, J. v. d. Bosch und L. Sager gehören ihm an. –
Wechsel im Vorsteheramt
Der langjährige Vorsteher unserer Gemeinde, Herr v. d. Kamp, erkrankte im Laufe des November 1918, so dass seine Unterbringung in der Heilanstalt Osnabrück notwendig wurde. Des Krieges Not, Sorge und Arbeit hatten seine Nerven zerrüttet. Im Dezember 1918 wählte die Gemeinde den Beigeordneten, Herrn Jan Griep, zum Vorsteher.
Schuljahr 1919/20
Zu Anfang des neuen Schuljahres besuchten 39 Knaben und 34 Mädchen unsere Schule, entlassen sind Ostern 5 Knaben und 5 Mädchen, neu aufgenommen 6 Knaben und 7 Mädchen.
Durch Beschluss der Nationalversammlung wurde der diesjährige 1. Mai zum nationalen Feiertag erklärt, der Unterricht fiel daher aus.
Fahrt nach Frenswegen
Am 5. Juni machten sämtliche Kinder unserer Schule einen Ausflug nach Frenswegen. Acht grün geschmückte Wagen brachten uns in fröhlicher Fahrt dorthin. In der Gartenwirtschaft Götker wurde gespielt, im Busche gesungen, der historische Friedhof und das Kloster in Augenschein genommen. Daselbst nahm der Lehrer die Gelegenheit wahr, auf das Geschichte und Bedeutung des Klosters für die heimatliche Kultur hinzuweisen.
Grenzschutz nach dem Waffenstillstand
Nach Ausbruch der Revolution übernahm das Inf. Reg. 161 den Grenzschutz, die Wache Brecklenkamp setzte sich zum großen Teil aus heimgekehrten Lager Kriegern zusammen. Im Frühjahr 1919 wurden die Wachen aufgehoben, die Zollbehörde übernahm den Grenzschutz, die Zahl ihrer Beamten wurde um heimatliche Hilfskräfte verstärkt.
Ausflug nach Münster
Am 30. August wurde mit den älteren Schulkindern ein Ausflug nach Münster gemacht. Außer mehreren Erwachsenen nahmen auch die Höcklenkamper Kinder an dem Ausflug teil. Dass in dieser Zeit das Reisen nicht zu Annehmlichkeiten gehört, erfuhr man in Salzbergen: in dem überfüllten Zuge fand man nur noch im Packwagen Platz. In der Stadt Münster mit ihren zahllosen Sehenswürdigkeiten, ihren belebten Straßen, den prächtigen Kirchen tat sich unseren Landkindern eine neue Welt auf. Die weiten Hallen des Landesmuseums wurden durchschritten; da dämmerte es doch bei manchem, was die Begriffe Kunst und Schönheit umschließen! Nur flüchtig konnte das prächtige Innere des alten Domes angestaunt werden, die Glas- und Wandmalerei, der köstliche Schmuck des Altares. Noch regeres Interesse brachten die Kinder dem Zoologischen Garten entgegen. Das naturhistorische Museum, später das Rathaus mit der wunderbaren altgotischen Fassade und dem Andenken an die Wiedertäuferzeit wurden ebenfalls in Augenschein genommen. Auf dem Bahnhof wurde Gelegenheit genommen, die Kinder auf alles Wissenswerte bei Bahnfahrten aufmerksam zu machen.
Weihnachtsfeier 1919
Am 21. Dezember fand für die Jugend des Dorfes eine aufs schönste verlaufene Weihnachtsfeier in der Kirche statt; an ihrem guten Gelingen hatte Frau Pastor Busse großen Anteil, wofür die Schule reichen Dank schuldet.
Nachdem schon im Laufe des Jahres die Ortschulinspektion der neuen Zeit zum Opfer gefallen war, trat zum 1.1. 1920 eine Veränderung in der Ausübung der nebenamtlichen Kreisschulinspektion ein. Der Lehrer Herr de Vries aus Esche wurde zum Kreisschulinspektor im Nebenamte ernannt.
Elternbeirat Ostern 1920
Auf Veranlassung des preußischen Kultusministeriums fanden im März die Wahlen zum Elternbeirat statt. Gewählt wurden die Herren: Toerhake, H. Rottmann, J. Hoedt, H. Buitkamp, H. Vos – Brecklenkamp.
Ostern 1920 wurde Herr Rektor Valentin Osnabrück zum hauptamtlichen Kreisschulinspektor für die ganze Grafschaft Bentheim ernannt. Der neue Schulaufsichtsbeamte führt hinfort den Titel: Kreisschulrat.
Wanderungen
Auf Anordnung des Herrn Ministers solle alle Monate Wanderungen mit den Schülern vorgenommen werden, da die Liebe zur Heimat eine gewisse Kenntnis derselben voraussetzt; Grundbegriffe für fast sämtliche Unterrichtsgegenstände sind auf solchen Ausflügen zu erarbeiten.
So zeigt uns das „Reitgar“ in Grasdorf einen Zufluchtsort für die Bauern in unsicheren Zeiten früher Jahrhunderte. Die Hesinger Berge mit ihren romantischen, weltfernen Partien, ihren Hügelgräbern ein Bild der großen Lüneburger Heide.
Wanderfahrt nach der Obergrafschaft
Am 7. und 8. Juli machten die älteren Schulkinder mit dem Lehrer eine Wanderfahrt nach der Obergrafschaft. 39 Kinder und mehrere Erwachsene beteiligten sich daran. Vom Bahnhof Neerlage ging es nach dem Isterberg mit seinen altersgrauen Felsen (Arbeit des Wassers) in den dunklen Tannen. Über Bad Bentheim wanderten wir weiter nach Schüttorf, wo die bei Bekannten des Lehrers bestellten Quartiere verteilt und bezogen wurden. Am folgenden Vormittag besichtigten wir die Stadt, die Spinnerei Schlikker und Söhne, die Weberei von G. Schümer und Co. Im Lenzingschen Saale wurde gemeinsam getafelt, Proviant war reichlich mitgenommen. Nach einigen Gesangsvorträgen verließen wir die gastliche Stadt. In Bentheim wurde das Heimatmuseum und das Schloss besichtigt, über die Steinbrücke ging’s dann durch den Wald zum Bade. Abend war’s geworden und müde die Schar. Möge den Kindern, die an dieser herrlichen Heimatwanderung teilnahmen, die Erinnerung an diese Tage allzeit lieb und wert sein!
(Anmerkung: 24.11.20 Sichtvermerk Schulrat Valentin)